Betteln um Militärputsch

Inmitten neuer Drohungen und verschärfter Sanktionen aus Washington hat das von der Opposition kontrollierte Parlament in Caracas einen weiteren Versuch unternommen, das Militär zu einem Staatsstreich gegen die gewählte Regierung von Präsident Nicolás Maduro zu bewegen. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch meldete, stimmten die Abgeordneten am Vorabend für einen Text, der den Soldaten der Nationalen Bolivarischen Streitkräfte nach einem Regierungswechsel die Weiterbeschäftigung und den Erhalt ihrer Dienstgrade garantieren soll. Jeder Militärangehörige, der sich zu einer »Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung« entschließe, werde nach einem Sturz Maduros wieder in die Streitkräfte eingegliedert. Auch die bisherige Befehlsstruktur des Militärs solle erhalten bleiben.

Wie AFP weiter schreibt, soll der Beschluss Befürchtungen der Militärführung zerstreuen, dass sie nach einem Sturz des rechtmäßigen Präsidenten Macht und Einfluss verlieren könne. Tatsächlich handelt es sich aber offenkundig um einen verzweifelten Schachzug, aus der eigenen Machtlosigkeit herauszukommen. Seit Januar hat die Nationalversammlung mehrfach ähnliche Resolutionen verabschiedet, die bei der uniformierten Zielgruppe ohne nennenswerten Widerhall blieben. Zudem sind alle Beschlüsse der Nationalversammlung nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs null und nichtig.

Parlamentspräsident Juan Guaidó, der sich am 23. Januar bei einer Kundgebung in Caracas selbst zum »Übergangspräsidenten« des Landes erklärt hatte, konnte seither nur einige Dutzend Soldaten und Offiziere für sich gewinnen, von denen praktisch niemand Befehlsgewalt über Truppenteile hatte. Das Oberkommando stellte sich geschlossen hinter die verfassungsmäßige Regierung und Präsident Maduro. Nicht viel erfolgreicher waren auch Zusagen aus Washington, zur Opposition überlaufende Offiziere und Regierungsfunktionäre von den Sanktionslisten zu streichen und eventuell eingeleitete Strafverfahren, zum Beispiel wegen Drogenschmuggels oder Korruption, einzustellen. Am Montag konnten die USA allerdings einen kleinen Erfolg verbuchen. Mit Carlos Rotondaro setzte sich der ehemalige Chef des Sozialversicherungsinstituts IVSS nach Kolumbien ab und verkündete über den Propagandasender NTN 24 seine Unterstützung für Guaidó.

In Venezuela selbst wird der »Selbsternannte« dagegen immer mehr zur Witzfigur, die nur bei Twitter regiert. So kursierte nach einer Störung der »sozialen Netzwerke« in der vergangenen Woche die Meldung, Guaidó sei vorübergehend als Präsident abgesetzt worden – »aber jetzt läuft Facebook wieder«.

Erste konservative Oppositionspolitiker setzen sich derweil öffentlich von Guaidó ab. Claudio Fermín, ehemaliger Bürgermeister von Caracas und mehrfacher Präsidentschaftskandidat gegen Hugo Chávez, kritisierte den »Selbsternannten« am Montag im Privatsender Globovisión. Guaidó unterstütze die »perverse« Wirtschaftsblockade der USA gegen Venezuela, die nur zu einer weiteren Verarmung der Bevölkerung führe. Fermín, der im vergangenen Jahr den Wahlkampf des Oppositionskandidaten Henri Falcón geleitet hatte und bei dessen Wahlsieg Vizepräsident werden sollte, verurteilte die Rufe von Regierungsgegnern nach einer Militärintervention. »Wir wollen keinen Regimewechsel durch Bürgerkrieg, bei dem wir Tausende Tote beweinen müssten«, sagte er im Gespräch mit dem Journalisten Vladimir Villegas.

Erschienen am 21. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt