junge Welt, 29.10.2016

Berlin für die Bombe

Nordkorea ist bereit, über ein weltweites Verbot aller Atomwaffen zu verhandeln – die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich (und auch Südkorea) sind es nicht. Auch der deutsche Botschafter Michael Biontino votierte am Donnerstag (Ortszeit) im sogenannten Ersten Komitee der UN-Vollversammlung gegen eine von Österreich, Brasilien, Irland, Mexiko, Nigeria und Südafrika eingebrachte Resolution, nach der im kommenden Jahr Verhandlungen für eine atomwaffenfreie Welt aufgenommen werden sollen. Mit ihrem negativen Votum stellte sich Deutschland gemeinsam mit den meisten NATO-Staaten gegen eine überwältigende Mehrheit der Staaten der Welt. 123 Delegation votierten für den Entwurf, 38 dagegen, und 16 enthielten sich, unter ihnen die Atommächte China, Indien und Pakistan.

Der Resolution zufolge soll im kommenden Jahr in New York eine UN-Konferenz stattfinden, auf der über ein rechtlich bindendes Instrument zum Verbot der Atomwaffen und ihre vollständige Beseitigung verhandelt wird. Auftakt soll demnach eine viertägige Sitzung vom 27. bis 31. März sein, gefolgt von dreiwöchigen Beratungen im Juni und Juli. Das Papier wird nun an das Plenum der UN-Vollversammlung weitergeleitet, das voraussichtlich im Dezember darüber entscheiden wird. Mit einer Annahme kann nach dem Votum vom Donnerstag gerechnet werden.

Auf Nachfrage von junge Welt verteidigte das Auswärtige Amt in Berlin die Ablehnung des Antrags. Selbstverständlich unterstütze man das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen, aber dieses könne man nur gemeinsam mit den Atommächten erreichen. Man setze auf den Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, erklärte während der Sitzung in New York Botschafter Biontino. Man spreche sich für »eine konkrete und realistischere Alternative« zu einem Verbot von Atomwaffen aus.

Dagegen begrüßten die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) das Ergebnis der Abstimmung als »abrüstungspolitische Revolution«. Zum ersten Mal hätten es die atomwaffenfreien Staaten gewagt, die Atommächte und ihre Alliierten in einer solchen Frage zu überstimmen. »Es ist eine Schande für Deutschland, dass sich die Bundesregierung der Gruppe der Hardliner angeschlossen hat«, kommentiert Sascha Hach vom deutschen Zweig der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) die Haltung Berlins. »Neben Rüstungsexporten an autoritäre Regimes gehören die Stationierung und Unterstützung von Atomwaffen zu den Abgründen der deutschen Außenpolitik.« Damit spielte Hach auf die Tatsache an, dass im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz noch immer Atomwaffen gelagert werden. Von einem Abzug dieser Massenvernichtungsmittel ist nicht die Rede. Vielmehr plant Washington offenbar, die Bomben zu modernisieren. Das berichtete der Spiegel im August. Die Waffe vom Typ »B61-12« solle ab 2020 in Büchel stationiert werden. Für den Abwurf im Kriegsfall seien auch »Tornado«-Jets des in Büchel stationierten deutschen Luftwaffengeschwaders vorgesehen.

Gegen das Atomwaffenlager wollen Friedensaktivisten auch im kommenden Jahr demonstrieren. Geplant sind Protestaktionen vom 26. März bis zum 9. August 2017. »Die 20 Wochen stehen für die 20 Atombomben, die in Büchel stationiert sind. Die US-Regierung plant, diese Atombomben aufzurüsten. Eine neue Spirale der atomaren Aufrüstung hat begonnen«, heißt es auf der Homepage der Kampagne »Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt«.

Erschienen am 29. Oktober 2016 in der Tageszeitung junge Welt