Bekannte Gesichter

Der Vorgänger ist auch der Nachfolger: Nach seinem Wahlerfolg am vergangenen Sonntag wird Tabaré Vázquez am 15. März das Präsidentenamt Uruguays von José Mujica übernehmen. Der aus der Sozialistischen Partei stammende Mediziner, der für das Linksbündnis »Frente Amplio« (FA, Breite Front) angetreten war, hatte das südamerikanische Land bereits von 2005 bis 2010 regiert.

Da eine direkte Wiederwahl nach der uruguayischen Verfassung ausgeschlossen ist, folgte ihm der wegen seines einfachen Lebensstils populäre Exguerillero Mujica in das höchste Staatsamt – von dem es Vázquez nun wieder übernehmen wird. Bei der Stichwahl am vergangenen Sonntag konnte er sich mit 53,6 Prozent der Stimmen gegen seinen konservativen Kontrahenten Luis Lacalle Pou durchsetzen. Das ist das höchste Ergebnis eines uruguayischen Präsidentschaftskandidaten in den vergangenen 70 Jahren, wie die argentinische Tageszeitung Clarín kommentierte.

Während die in der FA zusammengeschlossenen Linksparteien – unter ihnen Sozialisten, Kommunisten und ehemalige Tupamaro-Stadtguerilleros – den Erfolg ihres Kandidaten feiern, erwartet der Parlamentsabgeordnete Eduardo Rubio vom neuen Staatschef »mehr und Schlechteres vom selben«. In der Tageszeitung La Juventud erklärte er, wenn die Euphorie nachlasse, würden die Schwierigkeiten in den Vordergrund treten.

Rubio war bei den Parlamentswahlen am 26. Oktober – die zeitgleich mit der ersten Runde der Präsidentschaftswahl stattfanden – für die »Unidad Popular « (UP, Volkseinheit) in das Repräsentantenhaus gewählt worden. Diese Allianz aus linksradikalen und maoistischen Kräften hatte sich erst im vergangenen Jahr gegründet, um der FA eine linke Alternative entgegenzusetzen.

Auf ihrer Homepage wirft die UP der Frente vor, keine grundsätzlich andere Politik gemacht zu haben als ihre bürgerlichen Vorgänger: »Die erste Amtszeit von Vázquez war ebensowenig eine Regierung im Dienste der Interessen des Volkes, wie es die gegenwärtige ist und nächste Regierung der Frente Amplio unter einem zweiten Mandat für Vázquez sein wird«, schreibt die UP in ihrem Wahlprogramm. Beifall für ihre Politik habe die FA lediglich »vom Imperialismus, dem nationalen und ausländischen Großkapital, den Großgrundbesitzern und den internationalen Banken« erhalten.

Die wichtigste Kraft der UP, die »Bewegung 26. März« (26M), gehörte selbst bis 2008 der FA an, bevor die aus den Tupamaros hervorgegangene und sich als marxistisch-leninistisch verstehende Partei in Opposition zu Tabaré Vázquez ging. Dieser hatte viele seiner Anhänger durch einen Kurs der Annäherung an die USA enttäuscht, statt das Bündnis mit den um Kuba und Venezuela gruppierten Staaten der Bolivarischen Allianz für die Völker unseres Amerikas (ALBA) zu suchen.

Mit seiner eigenen Sozialistischen Partei überwarf sich Vázquez, als er 2008 sein Veto gegen eine Parlamentsentscheidung einlegte, mit der Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden sollten. Sein Nachfolger »Pepe« Mujica versprach bei den Wahlen 2009 zwar einen Linksschwenk, doch abgesehen von gemeinsamen Auftritten mit den linken Staatschefs der Region war davon auch in seiner Amtszeit wenig zu spüren – wenn man von der Legalisierung von Cannabis absieht, die auf Initiative Mujicas 2013 von den beiden Parlamentskammern beschlossen wurde und im vergangenen Mai in Kraft trat. Wirtschaftlich blieb der Schwenk aus.

In einer ersten Analyse bewertet die 26M den Wahlausgang auf ihrer Homepage vor allem als Krise der bürgerlichen Parteien – der konservativen »Weißen« von der Nationalen Partei und der liberalen »Roten« der Partido Colorado. Diese hatten sich bis zum Aufstieg der Frente 2005 die Macht in Uruguay geteilt. Inzwischen wendet sich jedoch vor allem die städtische Mittelschicht mehr und mehr von den »Colorados« ab und der FA zu, so dass den Liberalen droht, zwischen der konservativen Opposition und der gemäßigten Linken aufgerieben zu werden.

Vázquez setzt währenddessen auf Kontinuität. Nur 48 Stunden nach seinem Sieg und mehr als drei Monate vor seinem Amtsantritt stellte er am Dienstag (Ortszeit) sein Kabinett vor. Viele der neuen Minister gehören bereits der Mannschaft Mujicas an oder sind in anderer Weise bekannte Gesichter. So war der neue Außenminister Rodolfo Nin im ersten Kabinett Vázquez Vizepräsident Uruguays. Der 66jährige gehört zum »gemäßigten« sozialdemokratischen Flügel der FA, stammt aus der Nationalen Partei und schloss sich erst nach einer Niederlage in deren internen Machtkämpfen 1994 der Frente an. Und auch Vázquez‘ neuer Wirtschaftsminister steht für Kontinuität: Danilo Astori war bisher Mujicas Stellvertreter.

Erschienen am 4. Dezember 2014 in der Tageszeitung junge Welt