Bedrohte Hoffnung

In Kolumbien wächst die Hoffnung auf ein Ende des seit Jahrzehnten andauernden Krieges. In dieser Woche setzten die kolumbianische Regierung und die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Armee des Volkes (FARC-EP) ihre Friedensverhandlungen in Havanna fort. Ursprünglich sollte das Ende des Konflikts bereits im März besiegelt werden, doch nun peilen beide Seiten Ende des Jahres an, um dann einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Ob es vorher schon einen offiziellen Waffenstillstand geben kann, ist noch unklar. Denn inzwischen bedroht der Terror der wiedererstarkten Paramilitärs den Friedensprozess.

Am Mittwoch betonte die Verhandlungsdelegation der FARC-EP in Havanna, dass es keinen Frieden geben könne, solange die ultrarechten Todesschwadronen morden. Die Regierung in Bogotá müsse endlich energisch gegen diese »Geißel« vorgehen, verlangte der Sprecher der Guerilla, Pablo Catatumbo. Er warnte vor einem Blutbad, das diese verbrecherischen Gruppen mit Blick auf den bevorstehenden Friedensschluss vorbereiteten, und verlangte von allen Stellen des Staates, sich endlich durch Taten und nicht nur in Worten von den Verbrechern abzusetzen. Mehrfach hat die Guerilla betont, dass sie die Waffen nicht abgeben wird, ohne dass es Garantien für die Sicherheit ihrer Mitglieder gibt.

Die Forderungen der kolumbianischen Guerilla stützen sich auf bittere Erfahrungen. Schon Ende der 80er Jahre hatten die FARC einen Friedensvertrag unterzeichnet und eine legale Partei, die »Unión Patriótica« (UP) gegründet. In der Folge entfesselten die Paramilitärs, Teile des staatlichen Sicherheitsapparates und Drogenbanden einen Vernichtungsfeldzug gegen diese Partei. Zwei Präsidentschaftskandidaten, 21 Abgeordnete, 70 Stadträte, elf Bürgermeister und bis zu 5.000 weitere Mitglieder der UP wurden ermordet. Als dann die kolumbianische Luftwaffe auch noch das Hauptquartier der FARC bombardierte, kündigte die Guerilla den Vertrag auf und kehrte zum bewaffneten Kampf zurück.

Auch jetzt nimmt die Zahl der Übergriffe auf linke Aktivisten, Gewerkschafter und angebliche Unterstützer der Guerilla in Kolumbien dramatisch zu. Die Aktivitäten der Paramilitärs hätten sich gegenüber dem Vorjahr um 35 Prozent erhöht, warnte die FARC-Delegation in Havanna unter Berufung auf Angaben von Menschenrechtsorganisationen. »Wir erleben tröpfchenweise die Neuauflage eines echten politischen Massenmordes, ohne dass der kolumbianische Staat es auch nur fertigbringt, die Verantwortlichen zu benennen und festzunehmen«, heißt es in einer Stellungnahme vom 2. April. Nur einen Tag zuvor war die Menschenrechtsaktivistin und frühere Senatorin Piedad Córdoba knapp einem Mordanschlag entgangen, den offenbar Paramilitärs in der Stadt Quibdó vorbereitet hatten.

Erschienen am 9. April 2016 in der Tageszeitung junge Welt