junge Welt, 2. Juli 2018

Augsburg sagt nein

Bunte Fahnen, kreative Losungen, Musik und engagierte Reden: In Augsburg haben am Samstag Tausende Menschen gegen rassistische Politik protestiert. Anlass für die zentrale Kundgebung unter dem Motto »Zeig dich, Aux« auf dem Rathausplatz sowie für die verschiedenen Demonstrationszüge war der am Wochenende in der Messehalle der Stadt durchgeführte Parteitag der »Alternative für Deutschland« (AfD). »Diese Partei gehört auf den Müllhaufen der Geschichte«, sagte Cornelia Kerth, Bundessprecherin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), während der Proteste im Gespräch mit junge Welt. Die AfD nähere sich »dem an, was wir nie wieder haben wollen: Faschismus«.

Am Morgen hatten sich zunächst rund 2.000 Menschen an den Messehallen versammelt. Busse, die aus anderen Städten nach Augsburg kamen, wurden von der Polizei durchsucht. Versuche, die Ankunft der Delegierten zum AfD-Parteitag zu blockieren, wurden von den Beamten gewaltsam unterbunden. Mindestens drei Menschen wurden durch Pfefferspray verletzt, drei weitere Medienberichten zufolge vorläufig festgenommen. Personalienfeststellungen gab es auch direkt vor dem Gewerkschaftshaus. Dort formierte sich am Vormittag eine zweite Demonstration, zu der der DGB (Region Schwaben) aufgerufen hatte.

Rund fünf Kilometer lang war die Route, die die Demonstranten von der Messe aus in die Innenstadt nehmen mussten. Trotz Temperaturen um die 30 Grad und prallen Sonnenscheins herrschte ausgelassene Stimmung. Unterwegs schlossen sich immer mehr Menschen dem Zug an, der nach Veranstalterangaben schließlich auf rund 5.000 Menschen anwuchs, die Polizei zählte etwa 3.000. Laute Musik dröhnte über den Jugendblock, es wurden Parolen gerufen. An einem Hydranten hatte sich die Feuerwehr postiert und ermöglichte den Demonstranten, sich aus einem Wasserschlauch zu erfrischen.

Weniger bunt lief es in der Messehalle ab. Die AfD erkannte die »Desiderius-Erasmus-Stiftung« von Erika Steinbach als parteinah an, um dadurch Steuergelder kassieren zu können. AfD-Kochef Alexander Gauland forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zum Sturz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, verglich die aktuelle politische Situation mit dem Niedergang der DDR 1989 und phantasierte von einem »Bevölkerungsaustausch« durch die Aufnahme von Flüchtlingen. Kovorsitzender Jörg Meuthen verlangte eine »Festung Europa« und forderte die Abschaffung der gesetzlichen Rente in der Bundesrepublik.

Auf dem Rathausplatz kam es derweil zu Unmutsbekundungen, weil die Veranstalter der dortigen Kundgebung auch CSU-Politiker als Redner eingeladen hatten. Teilnehmer quittierten das mit Buhrufen, es flogen Eier und Tomaten. Unfreiwillig komisch gestaltete sich etwas später ein Auftritt von »Pegida« auf dem Königsplatz. Die aus München angereisten Rassisten wollten laut Anmeldung gegen »Pseudogewerkschaften« protestieren, die gegen eine »demokratische Partei« demonstrierten. Die Teilnehmerzahl lag im einstelligen Bereich, es ging vor allem darum, auf einer Leinwand Bilder vom AfD-Parteitag zu zeigen. Umringt wurde die Vorstellung von Hunderten gut gelaunten Antifaschisten, die mit einer Polonaise den von der Polizei abgeriegelten Bereich umrundeten.

Erschienen am 2. Juli 2018 in der Tageszeitung junge Welt