Aufregung um »Globovisión«

Venezuelas Regierung bekommt offenbar großen Einfluß auf einen ihrer schärfsten Widersacher, den Fernsehkanal Globovisión. Mitte Juni hatten die venezolanischen Behörden die Kontrolle über das angeschlagene Finanzinstitut Banco Federal und seine Tochterunternehmen übernommen, darunter auch von Sindicato Ávila, das mit 20 Prozent an Globovisión beteiligt ist. Hinzu kommen Regierungsangaben zufolge die 5,8-Prozent-Beteiligung eines weiteren Unternehmens aus der Banco-Federal-Gruppe sowie ein 20-Prozent-Anteil des 2007 verstorbenen Mitbegründers von Globovisión, Luis Teófilo Núñez. Da nach dem venezolanischen Mediengesetz erteilte Lizenzen nicht vererbt werden können, sei auch dieser Anteil an den Staat gefallen, erläuterte Venezuelas Präsident Hugo Chávez am Dienstag in Caracas. Daraus ergebe sich, daß die Regierung nun 48,5 Prozent der Anteile von Globovisión halte und deshalb auch einen Vertreter in den Vorstand des Medienunternehmens entsenden könne.

Die von den Behörden eingesetzte Übergangsverwaltung der Banco Federal werde in den nächsten Tagen ihren Vertreter an der Spitze des Kanals benennen, kündigte Chávez an. »Niemand wird sagen können, daß wir sie enteignen, nein, wir beteiligen uns nur an dem Geschäft«, so der Staatschef. Als möglichen Kandidaten für das Amt nannte er den Fernsehmoderator Mario Silva, der mit seiner wegen ihrer scharfen Polemik umstrittenen Sendung »La Hojilla« seit Jahren mehrmals wöchentlich im staatlichen Fernsehen VTV die regierungsfeindliche Propaganda von Globovisión und anderen oppositionellen Medien aufs Korn nimmt.

Der 1994 gegründete Kanal Globovisión gilt seit Jahren als das am schärfsten regierungsfeindlich eingestellte Medium in Venezuela. Wie andere Kommerzsender des Landes hatte auch Globovisión im April 2002 offen den Staatsstreich gegen Hugo Chávez unterstützt und durch die Ausstrahlung manipulierter Aufnahmen den Vorwand für den Putsch geliefert. Als Millionen Menschen in Caracas und anderen Teilen des Landes auf die Straße gingen, um die Rückkehr des gestürzten Präsidenten zu fordern, verschwieg der angebliche Nachrichtensender die Ereignisse, bis sich das Scheitern des Putsches nicht mehr leugnen ließ. Heute wird das Programm vor allem von dem fünfmal in der Woche ausgestrahlten Magazin »Aló, Ciudadano« von Leopoldo Castillo geprägt, in dem mehrfach zur Gewalt und zum Umsturz im Land aufgerufen wurde und das den aggressivsten Regierungsgegnern regelmäßig eine Plattform bietet. Moderator Castillo wird beschuldigt, 1980 an der Ermordung von drei Nonnen des katholischen Maryknoll-Missionsordens durch die Todesschwadronen in El Salvador beteiligt gewesen zu sein.

Der Sender selbst weist in einer auf seiner Homepage veröffentlichten Erklärung den Vorstoß der Regierung zurück. Einziger Inhaber der Sendelizenz sei das Unternehmen »Corpomedios GV Inversiones, C.A.«, deren Anteilseigner drei juristische Personen seien, darunter mit 20 Prozent die Sindicato Ávila. Während sich das Kommuniqué über die anderen Mitbesitzer ausschweigt, erklärte der Chef des Senders, Guillermo Zuloaga, in einer E-Mail an die US-Tageszeitung Miami Herald, die übrigen 80 Prozent seien in seinem Besitz, »mit ihren 20 Prozent können sie gar nichts entscheiden«. Weiter heißt es in der Erklärung des Senders, die Anteilseigner dürften keine Vorstandsmitglieder ernennen, diese würden von der Aktionärsversammlung mit mindestens 55 Prozent der Stimmen gewählt. Vor allem aber habe die Zusammensetzung des Vorstands keinen Einfluß auf die inhaltliche Linie des Programms.

In Turbulenzen anderer Art scheint nun auch »Vale TV« zu geraten. Der Sender war im Dezember 1998, wenige Tage vor der Wahl von Hugo Chávez zum Präsidenten Venezuelas, gegründet worden, nachdem der damalige Staatschef Rafael Caldera einen bis dahin vom Staat genutzten Fernsehkanal der Katholischen Kirche übertragen hatte. Im Zuge der jüngsten Auseinandersetzungen mit dem Erzbischof von Caracas, Jorge Urosa, hatte Chávez angekündigt, nicht nur den 1964 zwischen der damaligen venezolanischen Regierung und dem Vatikan geschlossenen Staatsvertrag zu überprüfen, sondern auch die seiner Ansicht nach widerrechtliche Lizenz­erteilung an das Erzbistum zu widerrufen. »Holen wir diesen Kanal zurück, um ihn in den Dienst des Volkes, der Kommunen und Gemeinden zu stellen«, sagte Chávez am Dienstag.

Erschienen am 22. Juli 2010 in der Tageszeitung junge Welt und am 23. Juli 2010 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek