Aufgemuckt

In Kopenhagen haben die »Kleinen« aufgemuckt. Sie weigerten sich während des Klimagipfels im vergangenen Dezember, das von einer exklusiven Gruppe von 28 Staaten unter Ausschluß der übrigen 164 Länder ausgehandelte Papier anzunehmen. Seither versucht vor allem Washington mit massivem Druck, die widerspenstigen Regierungen zum Einlenken und zum Unterzeichnen der »Kopenhagener Vereinbarung« zu bewegen. So wurden Ecuador in der vergangenen Woche mehrere Millionen Dollar Entwicklungshilfe gestrichen, weil sich die Regierung von Rafael Correa nach wie vor weigert, sich der Erpressung zu beugen.

Deshalb ist nicht überraschend, daß Correa zu den insgesamt fünf Staatschefs gehört, die an der im bolivianischen Cochabamba stattfindenden »Weltkonferenz der Völker über Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde« teilnehmen. Die Initiative zu dieser Konferenz hatte Boliviens Präsident Evo Morales nach dem Kopenhagen-Gipfel ergriffen, und das Echo hat sogar ihn vollkommen überrascht. Mehr als 20000 Menschen sind in das bolivianische Hochland gekommen, um über Maßnahmen gegen die zunehmende Umweltzerstörung zu beraten.

Ganz im Gegensatz zum Riesenhype um Kopenhagen spielt Cochabamba in den deutschen Massenmedien kaum eine Rolle. Auch das ist wenig überraschend, denn die bei dieser Klimakonferenz angeschlagenen Töne haben nichts mit dem wohlgesetzten Kauderwelsch der westlichen Diplomaten bei der UN-Konferenz gemeinsam. »Der Hauptgrund für die Zerstörung des Planeten Erde ist der Kapitalismus, und wir Völker, die ihn bewohnen und die Mutter Erde respektieren, haben jedes Recht, die Ethik und die Moral, um festzustellen, daß der Hauptfeind der Mutter Erde der Kapitalismus ist, « nahm Boliviens Präsident bereits bei der Eröffnung kein Blatt vor den Mund.

Hier ist die Mutter Erde, die Pachamama, eben kein esoterisches Klimbim, das hübsch zu Erdbeertee und Räucherstäbchen paßt. Die Andenbewohner sehen mit eigenen Augen, wie die Gletscher immer schneller wegtauen und ganze Tier- und Pflanzengattungen verschwinden. In solch einer Umgebung ist wenig Platz für das in Europa und Nordamerika so beliebte endlose Diskutieren um Formulierungen, aus dem letztlich kein Handeln entsteht. Und so werden die sonst unvermeidlichen Vertreter der zahllosen steuerfinanzierten NGOs aus den Metropolen, die wegen der Aschewolke nicht nach Bolivien fliegen konnten, in Cochabamba wohl kaum vermißt.

Evo Morales hat angekündigt, daß die Ergebnisse dieses Treffens der nächsten UN-Klimakonferenz im Dezember in Cancún vorgelegt werden. Sollten sie dort ignoriert werden, wolle man die Gründung einer Alternativorganisation zur UNO ins Auge fassen. Solche Aussagen spiegeln – ebenso wie die kämpferischen Töne beim ALBA-Gipfel in Caracas zum Wochenbeginn – das neuen Selbstbewußtsein Lateinamerikas wider. Die Kleinen mucken auf.

Erschienen am 22. April 2010 in der Tageszeitung junge Welt und am 23. April 2010 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek