Auf die Probe gestellt

Die Probe ist gelaufen, und ein gutes halbes Jahr vor den allgemeinen Parlamentswahlen wird in Spanien über die Ergebnisse der Regionalwahlen in Andalusien diskutiert. Auf den ersten Blick bleibt dort alles wie gehabt: Die sozialdemokratisch orientierte Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) kann in ihrer Hochburg weiterregieren. Künftig will PSOE-Chefin Susana Díaz das alleine tun, obwohl sie mit 47 Sitzen keine absolute Mehrheit in dem 109 Abgeordnete umfassenden Parlament erreicht hat. Doch angesichts einer künftig auf fünf Parteien zersplitterten Legislative, in dem sich keine andere Mehrheit abzeichnet, kann sie darauf hoffen, regelmäßig genügend Stimmen für ihre Projekte zu gewinnen.

Díaz hatte bis Ende Januar 2015 in einer Koalition mit der Vereinigten Linken (IU) regiert, bevor sie ihren Partnern den Stuhl vor die Tür stellte und vorgezogene Neuwahlen ausrief. Zuvor hatte es immer wieder Schwierigkeiten zwischen den Partnern gegeben, die in der Öffentlichkeit jedoch zur Freude der Regierungschefin meist als Streitigkeiten innerhalb der Linken wahrgenommen wurden. Tatsächlich aber hatte die PSOE weitergehende Projekte der IU wie eine Aufklärung der unzähligen Korruptionsfälle der Vergangenheit – in die auch hochrangige Sozialdemokraten verwickelt sind – und die Einführung eines gerechteren Wirtschaftsmodells in der agrarisch geprägten Region wiederholt blockiert. Immerhin rechnete sich die IU in einer Analyse nach dem Bruch der Koalition an, in jedem Jahreshaushalt weitergehenden Sozialabbau verhindert zu haben. Doch Teile der IU, die von Anfang skeptisch die Koalition mit den Sozialdemokraten begleitet hatten, kritisierten immer lauter die Zugeständnisse, zu denen sich die IU-Mehrheit gezwungen sah.

Mit ihrer Kritik hatten sie offenbar ein Großteil der Basis auf ihrer Seite. Die IU stürzte bei den Wahlen am Sonntag auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis ab, von zwölf Mandaten blieben ihr noch fünf – so dass sich die Linken freuen mussten, den Fraktionsstatus noch behalten zu haben. »Es ist offensichtlich, dass die Bürger den Pakt mit der PSOE als Fehler gewertet haben«, räumte IU-Spitzenkandidat Antonio Maíllo am Wahlabend ein. Man werde nun die Stimme der linken Opposition sein.

Diese Rolle wird der IU künftig aber von der neuen Partei Podemos streitig gemacht. Aus dem Stand kam diese auf 15 Prozent der Stimmen, was sich in ebensovielen Abgeordnetensitzen widerspiegelt. Die Partei von Medienstar Pablo Iglesias ist damit künftig die dritte Kraft in Andalusien hinter der PSOE und der rechten Volkspartei (PP). Deren Ergebnis, ein Absturz von 50 auf 33 Mandate, ist ein schlechter Auftakt für das Jahr, in dem die einst von den Eliten des Franco-Regimes gegründete und mit Mariano Rajoy den spanischen Ministerpräsidenten stellende Partei ihre Regierungsmacht in Madrid verteidigen will. Auf gesamtspanischer Ebene haben die Umfragen in den vergangenen Monaten eine Krise beider Traditionsparteien – PP und PSOE – vorhergesagt und Podemos sogar die Möglichkeit eingeräumt, stärkste Kraft zu werden.

Diesen hochtrabenden Hoffnungen hat das Ergebnis in Sevilla einen Dämpfer verpasst. Im Internetportal eldiario.es analysierte Ignacio Escolar, dass trotz der Niederlage der PP das Zweiparteiensystem nach wie vor intakt erscheine. Zusammen verfügen beide Parteien im andalusischen Parlament noch immer über fast 75 Prozent der Sitze. Das zeige, so Escolar, dass Podemos zwar ein grandioses, vor einem Jahr für nicht möglich gehaltenes Ergebnis erreicht hat – aber hinter den eigenen Erwartungen zurückblieb. »Mit einem solchen Prozentanteil in einer so großen autonomen Region wie Andalusien dürfte es ihr schwer fallen, in ganz Spanien zur meistgewählten Partei zu werden.«

Podemos gilt in den spanischen und europäischen Medien als Gegenstück zur griechischen Syriza, obwohl diese in Andalusien zur Wahl der IU aufgerufen hatte. Doch die Euphorie, die im Umfeld von Podemos nach dem Regierungswechsel in Athen geherrscht hatte, hat nach dem mittlerweile zu beobachtenden Schlingerkurs des Kabinetts von Alexis Tsipras merklich nachgelassen. Es könnte sich die Prognose bewahrheiten, dass Erfolg und Scheitern der neuen spanischen Partei direkt vom Schicksal der griechischen Regierung abhängt. Scheitert diese, ist damit der Reiz der neuen Linken auch auf der Iberischen Halbinsel verpufft. Kann Syriza substantielle Erfolge gegen die deutsch dominierten EU-Institutionen erkämpfen, profitiert Podemos. Doch wenn Athen auf einen Regierungswechsel in Madrid wartet – wie es in manchen Erklärungen von Tsipras und seinen Kollegen anklang –, könnte das für beide zu spät sein.

Andere Kräfte halten den Versuch, innerhalb der EU für Veränderungen zu sorgen, ohnehin für illusorisch. In Griechenland ist das vor allem die Kommunistische Partei KKE. In Spanien verfolgt die KP der Völker Spaniens (PCPE) dieselbe Linie. Bei den Wahlen in Andalusien kandidierte sie eigenständig und blieb unter 0,1 Prozent der Stimmen. Trotzdem verkündet sie selbstbewusst, gegenüber »dem Opportunismus und der neuen Sozialdemokratie« – zu denen die PCPE neben PSOE und Podemos auch die IU zählt – dürfe es keine Toleranz geben. Nötig sei allein die Stärkung der Kommunistischen Partei, die für den Bruch mit EU, Euro und NATO sowie für die Vergesellschaftung der grundlegenden Bereiche der Wirtschaft und die Macht der Arbeiterklasse eintritt.

Erschienen am 24. März 2015 in der Tageszeitung junge Welt