Auf der Höhe der Geschichte

Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) spricht sich für eine breite „Allianz der sozialen und politischen Kräfte, die sich mit dem antiimperialistischen Kampf identifizieren“, aus. Dieses breite Bündnis solle auch solche Strömungen umfassen, „die zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer ideologischen und politischen Unterschiede nicht notwendigerweise dem sozialistischen Projekt verpflichtet sind“. Das sagte der Generalsekretär der 1931 gegründeten Partei, Oscar Figueras, am Montag bei einer Pressekonferenz im Parteisitz Cantaclaro.

Zuvor hatte die Partei am Wochenende bei einem Außerordentlichen Parteitag entschieden, ihre Organisation zunächst nicht aufzulösen, sich aber weiter am Diskussionsprozess über die Gründung der von Venezuelas Präsident Hugo Chávez vorgeschlagenen Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) zu beteiligen.

In der Politischen Resolution des Parteitages bewerten Venezuelas Kommunisten den sich in dem südamerikanischen Land vollziehenden Prozess als als eine „demokratische, antiimperialistische Volksrevolution zur nationalen Befreiung, die auf dem Weg zum Aufbaus des Sozialismus voranschreitet“. Der Hauptwiderspruch, den der revolutionäre Prozess derzeit lösen müsse, sei der Antagonismus zwischen der venezolanischen Nation und dem US-Imperialismus. In diesem Kampf habe Präsident Chávez eine herausragende Rolle gespielt.

„Dieser gesamte Kampf findet unter dem Zeichen des strategischen Ziels des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft statt“, heißt es in dem Dokument des Parteitages weiter. „Um in dieser Richtung weitergehen zu können, ist die Existenz einer revolutionären Partei notwendig, die sich aus der Ideologie des Marxismus-Leninismus und den bolivarianischen Ideen speist, um mit aller Kraft die führende revolutionäre Rolle im Klassenkampf, der die Geschichte voranbringt, zu übernehmen.“

Daraus folgend stellen Venezuelas Kommunisten fest: „Unsere Revolution ist siegreich zur Vertiefung des antiimperialistischen Charakters und zum strategischen Ziel des Sozialismus vorangeschritten. In diesem Rahmen unterstreicht die PCV ihre Verpflichtung, weiter für die Gründung einer festen Antiimperialistischen Front auf nationaler und kontinentaler Ebene zu kämpfen, die sozial und politisch zur Verteidigung des Heimatlandes gegen die laufende imperialistische Aggression beiträgt.“ Eine entscheidende Rolle beim Aufbau dieser antiimperialistischen Bewegung komme der Führung des Comandante Chávez zu.

Zugleich stellt die Partei fest: „Ebenso wie für das Erreichen des Sieges im antiimperialistischen Kampf die umfassendste Einheit der politischen und sozialen Kräfte auf nationaler, kontinentaler und weltweiter Ebene notwendig ist, fordert der Fortschritt zum Sozialismus zugleich den Aufbau einer revolutionären Partei, die alle Kader sammelt, die die konsequentesten Positionen der historisch der Revolution und dem Sozialismus verpflichteten Klassen und sozialen Schichten ausdrücken, die sich als ideologische, politische und organische Vorhut gründet, um organisiert, kollektiv und einheitlich die schöpferischen Anstrengungen der Massen führt, um den kapitalistischen Staat zu zerstören und die Aufgabe des Aufbaus der Volksmacht übernimmt sowie Werte, Prinzipien und Haltungen aufzeigt, um die noch vorherrschende kulturelle Hegemonie der Bourgeoisie zu überwinden.“ Diese politische Organisation müsse in Theorie und Praxis die historischen Kampftraditionen des venezolanischen Volkes ausdrücken, wozu neben den bolivarianischen Wurzeln auch der „auf die konkreten Bedingungen unseres Heimatlandes angewandte Marxismus-Leninismus“ gehöre.

Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Jerónimo Carrera, fügte hinzu, der Parteitag habe deshalb beschlossen, „noch etwas abzuwarten, bevor wir uns endgültig und kategorisch entscheiden, ob wir uns dieser Partei anschließen oder nicht“.

Hugo Chávez hatte in einem von David Velásquez, Mitglied des PCV-Politbüros und Minister für Volksbeteiligung und soziale Entwicklung in der venezolanischen Regierung, verlesenen Grußwort erklärt, er unterstütze und respektiere „jede Entscheidung“ des Parteitages und sei sich sicher, dass die Kommunistische Partei sich „auf der Höhe des historischen Augenblicks“ befinde.

Die Diskussion um die Grundlagen der neuen vereinten Partei steht trotz des von Chávez vorgegebenen Tempos noch am Anfang. Bislang besteht Einigkeit offenbar nur über den revolutionären Charakter und das Bekenntnis zum Sozialismus, nicht aber über eine klare Definition dieser Begriffe. Auch klare Organisationsstrukturen der neuen Partei sind noch nicht erkennbar, auch wenn eine von Chávez eingesetzte Vorbereitungskommission, in der auch mehrere führende Mitglieder der PCV mitarbeiten, seit Wochen an dieser Frage arbeitet.

So zeigen neben den Kommunisten auch andere Parteien, die den Präsidenten unterstützen, noch Vorbehalte gegenüber der neuen Organisation. Die linkssozialdemokratische Podemos (Für die Soziale Demokratie) schlug vor, das Volk direkt durch eine „Verfassunggebende Versammlung“ über die Strukturen und programmatischen Grundlagen der neuen Organisation entscheiden zu lassen. Vor allem solle der pluralistische Charakter der Bewegung bewahrt bleiben, wie García auch mit Blick auf die Positionen der Kommunisten sagte: „Die Kommunistische Partei hat riesige Beiträge zur Geschichte unseres Landes geleistet … Heute haben sie einige Visionen aus ideologischer Sicht, die wir nicht teilen, aber im Chavismus gibt es auch Maoisten oder Leute mit sozialdemokratischer Denkweise, so dass es gut wäre, dass wir in einer Verfassunggebenden Versammlung klären, was uns eint.“ Eine solche Verfassunggebende Versammlung solle vom Nationalen Wahlrat, der obersten Wahlbehörde des Landes einberufen werden.

Angesichts der Haltung von PCV und Podemos hat auch die Partei „Heimatland für alle“ (PPT) erklärt, sich zunächst nicht auflösen zu wollen. Wie der Nationalsekretär der PPT, José Albornoz, sagte, schlägt seine Partei die Bildung einer breiten revolutionären Front als Weg zum Aufbau der Vereinten Sozialistischen Partei vor. Diese breite Front solle alle Parteien und sozialen Bewegungen vereinen, die den bolivarianischen Prozess unterstützen, so Albornoz.

Für die von Chávez gegründete Bewegung Fünfte Republik (MVR), die sich mit Blick auf die Gründung der vereinten Partei Anfang des Jahres offiziell aufgelöst hatte, unterstrich William Lara bei einer Pressekonferenz am Montag, dass es niemals um ein „einheitliches Denken“, sondern um eine vereinte Partei gegangen sei. In der neuen Etappe des Aufbaus des Sozialismus des XXI. Jahrhunderts müsse die vereinte Partei aber „ein gewisses Maß an Übereinstimmung“ haben. Er kündigte an, dass die MVR, deren formeller Auflösungsprozess im Gange sei, „ihr Eigentum und ihre Erfolge“ in die neue Partei überführen werde. Zugleich unterstrich er, dass die MVR von der neuen Partei keinen „garantierten Raum“ beanspruche: „Die Einheit ist das Ziel in dieser Etappe der Revolution“.

Erschienen in der Wochenzeitung UZ – Unsere Zeit vom 9. März 2007