Auf dem Weg nach Mexiko

Boliviens gestürzter Präsident Evo Morales und sein Stellvertreter Álvaro García Linera wurden am Dienstag in Mexiko erwartet. Die dortige Regierung hatte den Sozialisten zuvor Asyl gewährt und ein offizielles Flugzeug geschickt, um sie abzuholen. Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard begründete diesen Schritt am Montag (Ortszeit) in Anwesenheit von Präsident Andrés Manuel López Obrador damit, dass Morales Opfer eines Staatsstreichs geworden sei. Die Ankunft der Maschine in der mexikanischen Hauptstadt verzögerte sich allerdings, weil Peru seinen Luftraum für den Flug gesperrt hatte.

Über Twitter verabschiedete sich Morales: »Es tut mir weh, das Land aus politischen Gründen zu verlassen, aber ich werde die Ereignisse immer verfolgen. Bald werde ich mit mehr Kraft und Energie zurückkehren.« Zugleich kritisierte er: »Gegen einen indigenen Präsidenten, der das einfache Volk repräsentiert, erhebt sich die Polizei und führt einen Putsch durch, während die Armee seinen Rücktritt fordert. Für neoliberale Politiker, die mit wirtschaftlicher Macht prahlen, unterdrücken Polizei und Armee das Volk, das die Demokratie mit Gerechtigkeit, Frieden und Gleichheit verteidigt.«

Vor allem in La Paz, dem Sitz der meisten Regierungsgebäude, und dem benachbarten El Alto war es am Montag zu großen Protestkundgebungen gegen den am Sonntag erfolgten Staatsstreich gekommen. Wütende Demonstranten attackierten Polizeiwachen und Einsatzfahrzeuge. Die Armee, die am Wochenende gegenüber den gewalttätigen Protesten rechter Oppositioneller untätig geblieben war, ging mit Waffengewalt gegen die Anhänger des gestürzten Präsidenten vor. Mehrere Menschen sollen getötet worden sein. Daraufhin erklärte auch Verteidigungsminister Javier Zavaleta López seinen Rücktritt. »Der Staat, den wir aufgebaut haben, ist ein Bolivien, in dem das Militär an der Seite des Volkes und nicht gegen das Volk sein Heimatland verteidigen soll«, sagte er in einer Videobotschaft. Er habe dem Militär nicht den Befehl zum Einsatz gegen das Volk gegeben und werde dies auch niemals tun.

Die Putschisten bemühten sich derweil darum, eine Übergangsregierung zu bilden. Nicht nur Morales und García Linera waren zurückgetreten, sondern auch die Präsidenten von Senat und Abgeordnetenkammer, die laut Verfassung an ihrer Stelle die Amtsgeschäfte hätten übernehmen müssen. Daraufhin berief die zweite Vizepräsidentin des Senats, Jeanine Añez von der rechtsgerichteten »Demokratischen Sozialen Bewegung«, am Dienstag eine Sondersitzung des Parlaments ein und erklärte sich bereit, als Übergangspräsidentin Neuwahlen vorzubereiten. Gegenüber Medienvertretern zeigte sie sich am Dienstag zuversichtlich, dass auch die Abgeordneten von Morales’ »Bewegung zum Sozialismus« zu der Tagung erscheinen würden. Ansonsten drohte dem Parlament die Beschlussunfähigkeit.

Erschienen am 13. November 2019 in der Tageszeitung junge Welt