Anschlag in Strasbourg: Cui bono?

Nach dem Anschlag am Dienstag abend im französischen Strasbourg, bei dem nach Behördenangaben drei Menschen getötet und 13 weitere verletzt wurden, kursierten im Internet wieder viele Theorien über die Hintergründe. Manche User der »sozialen Netzwerke« bezichtigten ganz offen – und ohne handfeste Belege – die französischen Behörden, das Attentat inszeniert zu haben.

Wie könne man »so etwas« verbreiten, wenn es drei Tote und mehrere Schwerverletzte gebe, empörte sich der Staatssekretär im französischen Innenministerium, Laurent Nuñez, im Onlineportal des Wochenmagazins L’Express. Das Blatt hatte zuvor zahlreiche Beispiele für Verschwörungstheorien genannt, die unter anderem auf den Social-Media-Portalen der »Gelbwesten« kursierten. Unter anderem ging es dabei darum, dass die Präfektur von Bas-Rhin das Attentat über Twitter angeblich schon bekanntgegeben habe, als es noch gar nicht passiert war. Das stellte sich schnell als Unsinn heraus.

Nicht nur in Frankreich ist jedoch das Misstrauen gegenüber den Behörden nachvollziehbar. Auch im Zusammenhang mit Terroranschlägen. Manche der bislang bekannten Details zum Attentat in Strasbourg erinnern an das Verbrechen auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016, als ein Mann mit einem Lastwagen in den dortigen Weihnachtsmarkt fuhr und elf Menschen tötete. Auf den später in Italien erschossenen Attentäter Anis Amri waren zuvor, wie im November bekannt wurde, nicht weniger als drei V-Leute des Berliner Landeskriminalamtes angesetzt worden, von denen einer vorab von den Anschlagsplänen erfahren haben soll.

Im neuesten Fall ist der mutmaßliche Täter ein 29jähriger, in Strasbourg geborener und aufgewachsener Franzose. Er war polizeibekannt, mehrfach vorbestraft und sollte am Dienstag morgen wegen eines versuchten Tötungsdeliktes verhaftet werden, war aber nicht angetroffen worden. Obwohl er von ihnen als »Gefährder« geführt worden war, wollten die französischen Behörden am Mittwoch morgen nicht ausschließen, dass der Täter das Massaker als spontane Rache für die gescheiterte Festnahme verübt haben könnte. Erst später fanden sich dann Zeugenaussagen, die »Allahu Akbar«-Rufe gehört haben wollen.

So oder so stellt sich die alte Frage »Cui bono« – Wem nutzt es? Auch wenn in Strasbourg tatsächlich ein islamistischer Krimineller aus eigenem Antrieb um sich geschossen hat – profitieren davon werden Präsident Emmanuel Macron und sein Kabinett. Denn nun wird es massiven Druck auf die »Gelbwesten«, Schüler und Studenten, Gewerkschafter und Bauern geben, »aus Respekt vor den Toten« auf ihre Proteste zu verzichten. Wenn sie dem nicht folgen, werden sie von den Massenmedien wahlweise als dumm, instinktlos oder radikal attackiert. Oder die Aktionen werden gleich aufgrund der angespannten Sicherheitslage verboten. Und Macron kann sich wieder in Herrscherpose werfen und jeden Dialog »mit solchen Leuten« ablehnen.

Erschienen am 13. Dezember 2018 in der Tageszeitung junge Welt