Alles auf Anfang

Zum ersten Mal in der Geschichte der spanischen Demokratie muss eine Parlamentswahl wiederholt werden. Nachdem Anfang der Woche die letzten Versuche der verschiedenen Parteien gescheitert sind, eine tragfähige Koalition zu bilden, kündigte König Felipe VI. am Dienstag abend an, keinen weiteren Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorzuschlagen. Bis kommenden Montag hätte nach den Bestimmungen der spanischen Verfassung ein neuer Regierungschef gewählt sein müssen. Nun wird es am 26. Juni zu Neuwahlen kommen.

Bei der Abstimmung im Dezember hatte die rechtskonservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy ihre bisherige absolute Mehrheit verloren. Zwar blieben die Postfranquisten stärkste Kraft, aber die von Korruptionsskandalen erschütterte Partei fand keinen Koalitionspartner. So lag die Verantwortung bei der sozialdemokratisch orientierten Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE). Deren Chef Pedro Sánchez verweigerte sich jedoch einer rechnerisch möglich Linksallianz mit Podemos (Wir können) und Vereinter Linker (IU) sowie regionalen Gruppen. Er bestand darauf, die rechtsliberalen »Bürger« (Ciudadanos, C’s) in eine Koalition einzubeziehen. Mit diesen veröffentlichte die PSOE sogar schon ein Abkommen, obwohl sie alleine keine Mehrheit im Parlament hatten. Die Linken fühlten sich so vor den Kopf gestoßen und zeigten Sánchez daraufhin die kalte Schulter. Bei einer Mitgliederbefragung lehnten mehr als 88 Prozent der Podemos-Anhänger ein Zusammengehen mit den C’s ab. IU-Spitzenmann Alberto Garzón warf der PSOE vor, mit den Rechtsliberalen zu paktieren, »um Druck auf die Linke auszuüben, obwohl sie es hätte umgekehrt machen können«. Bei einer Pressekonferenz am Montag in Madrid erklärte er, man habe »alles Mögliche getan, um zu einem Abkommen zu gelangen, das die Regierung, aber auch die Politik ändert«.

Im Gespräch mit dem Onlinemagazin eldiario.es forderte Garzón, für die Neuwahlen ein Bündnis der verschiedenen linken Kräfte zu bilden. Eine solche Allianz hatte es im vergangenen Jahr nur auf regionaler Ebene, etwa in Katalonien, gegeben. Auf gesamtstaatlicher Ebene kandidierten IU und Podemos gegeneinander. Da das spanische Wahlrecht kleine Parteien benachteiligt, stellt die IU seither nur zwei Abgeordnete, obwohl sie von fast einer Million Spaniern gewählt wurde. Die in Katalonien angetretene Bündnisliste »En Comú Podem« (Gemeinsam können wir) kam mit einer ähnlichen Stimmenzahl auf zwölf Mandate, Podemos gewann mit drei Millionen Stimmen 42 Sitze. Die PSOE, die eine geringere Stimmenzahl als die getrennt voneinander kandidierenden Linkskräfte erhielt, ist mit 90 Abgeordneten fast doppelt so stark im Parlament vertreten.

»Es ist offensichtlich, dass die einzige Möglichkeit, die PSOE zu überholen, über die Zusammenführung der Linkskräfte läuft«, betonte Garzón. Spanien stehe vor der Notwendigkeit, die Gesellschaftsordnung zu verändern. Nun müsse sich Podemos entscheiden, ob sie sich zur Bewegung zählt, die für einen demokratischen Bruch mit dem bisherigen System eintritt, oder ob sich der reformistische Flügel durchsetzt, der für eine »lagerübergreifende« Strategie eintritt.

Bei den Sozialdemokraten hat man die Gefahr von links erkannt. Wie ­eldiario.es am Dienstag abend berichtete, versuchten führende Vertreter der PSOE die IU davon zu überzeugen, erneut alleine anzutreten. Die Hoffnung der Sozialdemokraten ist offenbar, mit der IU leichter ein Abkommen zu erreichen als mit Podemos, die sie in den vergangenen Tagen scharf attackiert hatte. Vor allem aber befürchtet die PSOE, dass eine gemeinsame Liste der Linksparteien auch nach Abgeordnetenmandaten vor ihr liegen könnte – und sie somit maximal Juniorpartner in der Regierung würde.

Eine am Mittwoch von der Tageszeitung La Nueva España veröffentlichte Umfrage legt allerdings nahe, dass ein Bündnis von Podemos und IU derzeit zwar den Abstand zur PSOE verringern könnte, aber hinter dieser bliebe. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament blieben demnach ähnlich wie aktuell, kein Lager hätte eine klare Mehrheit.