¡Adiós, Comandante!

In Anwesenheit hochrangiger Delegationen aus 55 Staaten der Welt, darunter die Staats- und Regierungschefs fast aller Länder Lateinamerikas, hat Venezuela am Freitag offiziell Abschied von seinem am Dienstag verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez genommen. Zu der Zeremonie in der Militärakademie, in der Chávez’ Leichnam seit Mittwoch aufgebahrt wurde, waren unter anderem der kubanische Präsident Raúl Castro, Mexikos Staatschef Enrique Peña Nieto, der Chilene Sebastián Piñera und andere hochrangige Gäste nach Caracas gereist. Die Zahl der Länder, die durch ihren obersten Repräsentanten vertreten wurden, lag offiziellen Angaben zufolge bei 33. Berlin entsandte lediglich den deutschen Botschafter in Caracas, Walter Lindner. Auf der Homepage der diplomatischen Vertretung wurde ein Kondolenzschreiben von Bundespräsident Joachim Gauck an den geschäftsführenden Staatschef Nicolás Maduro dokumentiert: »Sehr geehrter Herr Präsident, mit Trauer habe ich die Nachricht vom Tode des Präsidenten Hugo Chávez Frías erhalten. Ich möchte Ihnen und Ihrem Volke, auch im Namen meiner Landsleute, meine Anteilnahme aussprechen. Ihnen und der Familie des Verstorbenen wünsche ich in diesen Tagen der Trauer viel Kraft.«

 

Maduro sollte am Freitag abend, nach Abschluß der Trauerfeierlichkeiten, vor der Nationalversammlung, dem venezolanischen Parlament, den Amtseid ablegen. Er amtiert bis zur Neuwahl eines neuen Staatschefs, die nach den Bestimmungen der Verfassung innerhalb von 30 Tagen stattfinden muß, wobei unklar ist, ab wann genau diese Frist gezählt wird. Die Tageszeitung El Universal zitierte jedenfalls einen namentlich nicht genannten Sprecher des Nationalen Wahlrats (CNE), wonach dessen Behörde »ab dem 14. April« zur Durchführung der Abstimmung bereit sei. In der Folge müssen auch die eigentlich für den 14. Juli vorgesehenen Kommunalwahlen verschoben werden. Während für die Regierungsanhänger Nicolás Maduro kandidieren wird, den bereits Hugo Chávez im Dezember in seiner letzten öffentlichen Ansprache als seinen Nachfolger favorisiert hatte, bewirbt sich für die Opposition Henrique Capriles Radonski. Dieser war im vergangenen Oktober erfolglos gegen Hugo Chávez angetreten, im Dezember allerdings als Gouverneur des Bundesstaates Miranda wiedergewählt worden. Meinungsumfragen, die vor dem Tod von Chávez durchgeführt wurden, sehen Maduro als klaren Favoriten.

Der verstorbene Präsident soll einbalsamiert werden und in einem gläsernen Sarg im Militärhistorischen Museum von Caracas aufgebahrt werden. Diese Gedenkstätte war schon zuvor der Erinnerung an die von Hugo Chávez geführte Militärrebellion vom 4. Februar 1992 gewidmet worden, da der Comandante damals in diesem Gebäude seinen Befehlsstand hatte. Der versuchte Sturz des sozialdemokratischen Staatschefs Carlos Andrés Pérez knapp drei Jahre nach der von diesem zu verantwortenden blutigen Niederschlagung von Massenprotesten scheiterte zwar, doch Chávez wurde schlagartig zum Volkshelden. Das Präsidentenamt trat Chávez nach seinem Wahlsieg zwar erst am 2. Februar 1999 an, der »4-F« gilt jedoch als eigentlicher Beginn der »Bolivarischen Revolution«.

Die Einbalsamierung, die Nicolás Maduro am Donnerstag abend (Ortszeit) verkündet hatte, war eine Reaktion auf den alle Kapazitäten sprengenden Andrang von Menschen, die Chávez ein letztes Mal sehen wollten. Auf mehr als zwei Millionen wurde die Zahl derjenigen geschätzt, die sich in die Reihe der Wartenden vor dem Militärhospital eingereiht hatten, um an dem offenen Sarg vorbeizuziehen. Nun solle Chávez »für alle Zeiten« von allen besucht werden können, die dies wünschen, sagte Maduro, »wie Lenin, Ho-Chi-Minh und Mao Tse-Tung«. Chávez selber sei nun dort, wo er Salvador Allende, Che Guevara und Simón Bolívar umarmen könne.

Auch in Havanna und anderen Städten Kubas haben Zehntausende Menschen an Ehrungen für Hugo Chávez teilgenommen. Wie jW-Mitarbeiterin Deisy Francis Mexidor berichtete, zog am Donnerstag eine nicht enden wollende Schlange aus Männern und Frauen, Jungen und Alten am Monument für den kubanischen Nationalhelden José Martí auf der Plaza de la Revolución vorbei. Das mit Venezuela eng verbündete Land hatte wie zahlreiche andere auch Staatstrauer verhängt. »Er war ein Mann des Volkes und des Kampfes«, »er hat seinem Volk ein wichtiges Erbe hinterlassen«, »der Schmerz ist unzähmbar«, hieß es von Trauernden. Chávez sei eine der einflußreichsten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte.

Erschienen am 9. März 2013 in der Tageszeitung junge Welt