Abschied von Jerónimo Carrera

Venezuelas Kommunisten trauern um ihren Parteipräsidenten. Am Montag verstarb in Caracas im Alter von 91 Jahren Jerónimo Carrera, eine der bekanntesten Persönlichkeiten der revolutionären Bewegung Lateinamerikas. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro sprach »den Genossen der Kommunistischen Partei Venezuelas, den Familienangehörigen und Freunden« des Verstorbenen sein Beileid aus. Auch international wurde Carrera gewürdigt. In einem Kondolenzschreiben der DKP heißt es: »Er war ein Mann, der dem wissenschaftlichen Sozialismus verpflichtet war. Zum gegebenen Zeitpunkt, 2005, erläuterte Jerónimo umfassend den Unterschied zwischen dem sogenannten Sozialismus des 21. Jahrhunderts und dem wissenschaftlichen Sozialismus: ›Für uns ist Sozialismus das Ergebnis des Klassenkampfes und hat kein Produktionsetikett und noch weniger ein Verfallsdatum‹.«

 

Jerónimo Carrera wurde am 14. August 1922 in der ländlichen Umgebung des ostvenezolanischen Cumaná geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reiste er über New York nach Paris, wo er sich der Französischen KP anschloß. Kurze Zeit später wurde er Mitglied der KP Venezuelas, der er bis zu seinem Tod die Treue hielt. Noch zu Zeiten, in der seine Partei illegal arbeiten mußte, kehrte er Anfang der 50er Jahre in sein Heimatland zurück und beteiligte sich am Widerstandskampf gegen die Diktatur von Marcos Pérez Jiménez. Dafür wurde er für mehrere Jahre ins Gefängnis gesteckt. Bei den venezolanischen Tochterunternehmen der US-Konzerne General Motors und General Electric gründete Carrera die dortigen Betriebsgewerkschaften. An führender Stelle gehörte er zu den Mitbegründern der Einheitszentrale der Arbeiter Venezuelas (CUTV), dem kommunistischen Gewerkschaftsbund des Landes, der der korrupten sozialdemokratischen CTV Paroli bot.

Unter der am 23. Januar 1958 mit dem Sturz der Diktatur von Pérez Jiménez begründeten Demokratie änderte sich für Carrera wenig, erneut wurde er für Jahre ins Gefängnis gesperrt, während seine Partei in den Untergrund gedrängt wurde und mehrere Jahre lang einen bewaffneten Kampf gegen die von Washington unterstützte Regierung führte. Im europäischen Exil vertrat er zum einen die CUTV im Weltgewerkschaftsbund, zum anderen war er für die internationalen Beziehungen der von der KP geführten venezolanischen FALN-Guerilla zuständig. Zudem vertrat er die PCV in der Redaktion der internationalen Zeitschrift »Probleme des Friedens und des Sozialismus«, die von den kommunistischen Parteien weltweit gemeinsam herausgegeben wurde. Durch diese Tätigkeit wurde Jerónimo Carrera zu einem gefragten Genossen praktisch aller revolutionären Bewegungen weltweit. Später übernahm er, nach Caracas zurückgekehrt, die Leitung der Tribuna Popular, der Zeitung der venezolanischen Kommunisten. Gefragter Kolumnist und Gesprächspartner war er bis zuletzt auch für viele andere Zeitungen und Rundfunksender Venezuelas, einschließlich rechter Oppositionsblätter wie El Nacional.

2006 übernahm er nach dem Tod von Pedro Ortega Diaz den Vorsitz seiner Partei. Die eigentliche Spitzenfunktion der PCV übt der Generalsekretär aus, Oscar Figuera, während der Präsident der PCV eher repräsentative Funktionen hat.

Am Montag abend wurde Jerónimo Carrera im Gebäude des Zentralkomitees seiner Partei aufgebahrt, Figuera und andere führende Vertreter hielten die Ehrenwache an dem mit einer roten Fahne mit Hammer und Sichel bedeckten Sarg. Zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten nahmen in dem großen, erst vor kurzem renovierten Theatersaal der Zentrale Abschied.

Erschienen am 2. Mai 2013 in der Tageszeitung junge Welt