junge Welt, 22. Juli 2010

Abschied von Don Lucho

junge Welt, 22. Juli 2010Luis Corvalán ist tot. Im Alter von 93 Jahren ist der frühere Generalsekretär der chilenischen Kommunistischen Partei am Mittwoch in seinem Haus in Santiago de Chile gestorben. Der Parlamentsabgeordnete Hugo Gutiérrez würdigte den Verstorbenen: »Dies ist nicht nur für die Kommunistische Partei ein Verlust, sondern auch für unser ganzes Heimatland. Er war ein konsequenter Demokrat, der dafür gekämpft hat, daß dieses Land allen gehört, und der sich sehr darüber gefreut hat, daß die Ausgrenzung der Kommunistischen Partei im chilenischen Parlament durchbrochen werden konnte«, sagte Gutiérrez. Trotz des noch aus der Zeit der Diktatur stammenden Wahlgesetzes war es den Kommunisten im vergangenen Dezember gelungen, wieder in das chilenische Parlament einzuziehen. »Der Tod von ›Don Lucho‹ traf uns alle überraschend. Er war eine große Persönlichkeit unserer Partei, denn er war eine moralische Autorität. Die Kommunistische Partei und das Land werden ihm die gebührende Ehre erweisen.« Das Datum der Beisetzung soll in den nächsten Tagen bekanntgegeben werden.

Der am 14. September 1916 in Puerto Montt geborene Luis Corvalán trat im Alter von 16 Jahren der Kommunistischen Partei Chiles bei. Der ausgebildete Lehrer arbeitete hauptsächlich als Journalist für die kommunistischen Zeitungen Frente Popular und El Siglo. Nach dem Verbot der Partei 1947 durch den damaligen Staatschef Gabriel González Videla wurde er für mehrere Jahre in die Gefangenenlager Pitrufquén und Pisagua verschleppt. Trotzdem wählte ihn seine Partei 1950 in ihr Zentralkomitee. 1958 wurde Corvalán Generalsekretär der damals stärksten kommunistischen Partei des Kontinents. Er wurde für seine Partei in den chilenischen Senat gewählt und gehörte zu den wichtigsten Mitbegründern der Unidad Popular, die ab 1970 unter Salvador Allende einen friedlichen Weg zum Sozialismus bestreiten wollte.

Am 11.September 1973 putschte das Militär mit Hilfe der CIA gegen den demokratisch gewählten Präsidenten. Allende verteidigte mit der Waffe in der Hand die Moncada, den chilenischen Präsidentenpalast. Victor Jara, der Sänger der Revolution, wurde von den Faschisten im Stadion der Hauptstadt zu Tode geprügelt. Viele tausend Menschen wurden ermordet. Luis Corvalán wurde von den Putschisten in das Konzentrationslager Pitroque verschleppt, bis eine riesige internationale Solidaritätsbewegung ihn 1976 freikämpfte. Die Befreiung Luis Corvaláns, die im Westen als »Austausch« mit einem schnell vergessenen sowjetischen Dissidenten verkauft wurde, um die Kraft der Solidarität kleinzureden, gehört zu größten Erfolgen der antikapitalistischen Bewegung im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts. In einer Zeit, in der der Imperialismus in verschiedenen Teilen der Welt daran ging, seine Vorherrschaft zurückzuerobern, gelang es damals, Louis Corvalán der Gewalt der faschistischen Generäle zu entreißen.

Nicht nur Chile, auch die internationale Solidaritätsbewegung gegen Faschismus und Krieg hat mit Luis Corvalán einen Menschen verloren, der bis zu seinem Tod für die Ideale der Menschheit kämpfte.

Erschienen am 22. Juli 2010 in der Tageszeitung junge Welt