45 Tage Widerstand

Nach einer Großdemonstration Zehntausender Menschen, die in Tegucigalpa die Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya forderten, ist es am Dienstag in der honduranischen Hauptstadt erstmals zu größeren Ausschreitungen gekommen. Nach Schüssen eines Verkehrspolizisten auf einen demonstrierenden Motorradfahrer setzten wütende Demonstranten ein Schnellrestaurant sowie einen Bus in Brand. Nach den Zwischenfällen gingen Spezialeinheiten der Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die sich bereits auf dem Heimweg befindlichen Demonstranten vor. Auch auf das Gelände der Universität, auf das sich zahlreiche Menschen geflüchtet hatten, wurden Tränengasgranaten abgefeuert. Das Regime verhängte in der Hauptstadt von 22 bis fünf Uhr morgens eine Ausgangssperre.

Unter den Demonstranten befanden sich auch die Teilnehmer zweier goßer Märsche, die am Montag und Dienstag nach einem fast eine Woche dauernden Weg aus dem Osten und dem Zentrum Tegucigalpa erreicht hatten. Etwa 9000 Menschen kamen aus der Region um Olancho im Osten von Honduras, etwa 5000 aus dem zentral gelegenen Comayagua. Insgesamt, so Beobachter, handelte es sich um die größte Demonstration seit der Massenkundgebung vom 5. Juli am Flughafen Toncontin in Tegucigalpa, als Hunderttausende vergeblich auf die Landung des Flugzeugs mit dem rechtmäßigen Präsidenten an Bord gewartet hatten.

In Tegucigalpa begrüßte Zelayas Frau Xiomara Castro die Menge und sagte mit Blick auf den Sturz ihres Mannes: »Der Widerstand dauert jetzt 45 Tage, und das Volk ist immer noch auf den Straßen.« Präsidententochter Hortensia sprach von einem »Beispiel für die Welt und für die sozialen Bewegungen weltweit«. Für die Nationale Widerstandsfront kündigte Israel Salinas am Rande der Demonstration an, die Bewegung werde ihre Aktionen in allen Landesteilen ausweiten und verstärken, um die Arbeit jener Unternehmen zu behindern, die »Förderer, Finanzierer und Handelnde« des Staatsstreichs seien.

Mit Blick auf die für den 29. November geplanten Wahlen stellte Salinas erneut deren Rechtmäßigkeit in Frage, wenn sie unter Kontrolle der Putschisten durchgeführt würden. Der einzige Weg, rechtmäßige Wahlen durchführen zu können, seien die sofortige Wiedereinsetzung Zelayas in das Präsidentenamt und eine Abstimmung unter internationaler Kontrolle. Außerdem rief Salinas zu verstärkter internationaler Solidarität mit dem Widerstand in Honduras auf.

Auch in der zweitgrößten Stadt des Landes, San Pedro Sula, gingen Zehntausende Menschen auf die Straße, die vor allem aus dem Westen und Norden des Landes gekommen waren und einen Zug bildeten, der noch stärker war als der in der Hauptstadt. Die Putschisten hatten sich jedoch eine bittere Überraschung für die Menschen ausgedacht. Die für die Übernachtung vorgesehenen Unterkünfte wurden von Soldaten besetzt und geschlossen, so daß zahlreiche Menschen trotz Regen auf offener Straße übernachten mußten. Über die alternativen Medien der Widerstandsbewegung riefen die Organisatoren der Demonstration dazu auf, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.

Der von den Putschisten seines Amtes enthobene Präsident der honduranischen Zentralbank (BCH), Edwin Araque, hat unterdessen darauf hingewiesen, daß die Militärs die honduranische Wirtschaft zugrunde richten und damit das Volk zu noch mehr Armut und Elend verurteilen würden. Die internationalen Währungsreserven des Landes schmelzen immer schneller zusammen, warnte Araque. »Vor dem Putsch lagen die Währungsreserven in Honduras bei durchschnittlich 2,5 Milliarden Dollar, fünf Wochen nach dem Putsch sind sie auf 2,15 Milliarden gesunken«, sagte er. Die durch den Putsch ausgelöste Krise führe zu einer Wirtschaftsrezession, die bis Jahresende einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um mehr als zwei Prozent ausmachen werde.

Präsident Zelaya selbst ist aus Ecuador kommend am Dienstag in Brasilia eingetroffen, wo er am Mittwoch mit dem brasilianischen Präsidenten Luíz Inacio »Lula« da Silva zusammenkommen sollte (nach jW-Redaktionsschluß). Bei den Gesprächen sollten Möglichkeiten diskutiert werden, die internationalen Maßnahmen gegen die Putschisten zu verstärken.

Erschienen am 13. August 2009 in der Tageszeitung junge Welt