Zur MLPD

„Die MLPD  hat die Wiedervereinigung begrüßt, nicht weil die Folgen unterschätzt  worden wären.  Aber sie  entsprach  dem  Wunsch breiter Bevölkerungsteile  in beiden Teilen Deutschlands. Vor allem aber  konnten nun  gemeinsame Kampferfahrungen gesammelt werden: seien  es die in Westdeutschland organisierten Solidaritätsstreiks mit  den Metallern  im Osten  oder der  von Bischofferode ausgehende Funke  für den Aufschwung der Arbeiterbewegung im Jahr 1993: Die Wiedervereinigung war Voraussetzung für den gemeinsamen Kampf der  Arbeiterklasse in  Ost und West gegen einen nun offenkundig gemeinsamer Gegner.“ 1)

Die Organisation,  die solchen  Blödsinn verbreitet, ist die 1982 gegründete „Marxistisch-Leninistische  Partei Deutschlands“.  Der Gründung der MLPD vorausgegangen war die zehnjährige Existenz des „Kommunistischen Arbeiterbunds Deutschland“ (KABD). Der KABD wiederum entstand  als Vereinigung zweier Organisationen aus der von Spaltungen und  Auflösungen geschüttelten maoistischen K-Gruppen-Szene der frühen 70er Jahre. Die MLPD  bzw. der  KABD beriefen und berufen sich auf die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao-Tse-Tung und der Kommunistischen Internationale  und begründeten ihre Existenz von Anfang an hauptsächlich in Abgrenzung zur DKP. „Diese revisionistische Verwandlung einer  revolutionären Partei,  der KPD von 1956, in eine kleinbürgerliche Reformpartei  stellte den Aufbau einer neuen re volutionären proletarischen  Partei objektiv  auf  die  Tagesordnung.“ 2)  Die Legitimation  der MLPD  über die Ablehnung der DKP führte zu  dem Anspruch,   d i e  revolutionäre Partei der Arbeiterklasse in der BRD zu sein. Praktisch alle anderen Organisationen der  radikalen Linken  werden von  der MLPD als „kleinbürgerlich“, „trotzkistisch“,  „anarchistisch“ o.ä.  klassifiziert. Die DKP ist  ohnehin „revisionistisch“,  die PDS eine „sozialdemokratisch orientierte  gesamtdeutsche ‚Linkspartei'“ 3). Den Anhängerinnen dieser Organisation gibt die MLPD den Rat: „… mit und in der MLPD  ist der  Platz, sich  davon frei  zu machen  und  einen wirklich klaren Blick auf die Zukunft zu bekommen.“ 4)

Dieser Anspruch  der MLPD,  als  einzige  den  richtiger  Weg  zu kennen, hat  dazu geführt,  daß  die  Partei  ihre  Analysen  und Positionen  nicht  in  der  Diskussion  mit  anderen  Strömungen, Parteien und  Organisationen der  revolutionären Linken,  sondern isoliert  intern   erarbeitet.  Aus   dieser  Selbstzufriedenheit entstehen teilweise  hanebüchene Sichtweisen auf die herrschender Zustände, die  wir unten  näher unter  die  Lupe  nehmen  wollen. Außerdem hat  die Isolation  dazu geführt, daß die MLPD zunehmend eine Sprache spricht, die sich völlig von der anderer politischer Strömungen – auch linker – unterscheidet, aber nicht im positiven Sinne der  Herausbildung eines  besonderen Profils; allein in der Wortwahl eines  Textes, d.h. in der immer wiederholten Verwendung bestimmter  Phrasen   („der  echte  Sozialismus“,  „proletarische Denkweise“) ist die „Handschrift“ der MLPD erkennbar.

„Revolutionäre Gärung“ 1993?

Besonders deutlich wird die isolierte Wahrnehmung der MLPD – bzw. ihres Zentralkomitees  – in  der Bewertung der politischen Situation des Jahres 1993: „Das ging soweit, daß wir erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg  eine Entwicklung verfolgen konnten, in der die wachsende Unzufriedenheit  auf einem  Höhepunkt angelangt war und auf dem  wir Faktoren  für den Beginn einer revolutionären Gärung ausmachen konnten“  5), schrieb der MLPD-Vorsitzende Stefan Engel im Parteiorgan  Rote Fahne.  Von  dieser  Einschätzung  ausgehend hatte die  MLPD ihr  Vorgehen im „Super-Wahljahr“ 1994, v. a. bei den Bundestagswahlen,  festgelegt und  war offenbar  sogar  davon ausgegangen, mehr  als die  für linke  Listen (abgesehen  von der PDS) derzeit üblichen 0,x Prozent an Wählerinnenstimmen erreichen zu können.  „In dieser Zeit gingen selbst bürgerliche Meinungsumfragen davon aus, daß kleine Parteien bei den nächsten Wahlen bis zu 20  Prozent der  Stimmen erhalten  könnten.“ 6) Die MLPD mußte jedoch  schnell   einsehen,   daß   die   von   ihr   ausgemachte „revolutionäre Gärung“  allenfalls ein  kurzfristiges Aufflackern war, wofür  sie Zugeständnisse  der Monopole als Einleitung einer neuen Klassenzusammenarbeitspolitik verantwortlich machte.

Diese Einschätzung der Situation von 1993 als „Beginn einer revolutionären Gärung“ wurde von Engel mehrfach wiederholt, so sieben Wochen später  in einem  großen Interview  in der Roten Fahne. 7) Wie aber stellte sich die Situation des Jahres 1993 real dar?

1993 begann  im Zeichen  des brutalen  neofaschistischen  Terrors gegen Immigrantinnen  und  Flüchtlinge  und  mit  den  trotz  der Beteiligung Hunderttausender  hilflosen Gesten  des Protestes  in Form von  Lichterketten und  ähnlichem dagegen.  Der  antifaschistische  Protest  konnte  so  schnell  in  für  die  Herrschenden ungefährliche  Bahnen   gelenkt  werden.   Er  wurde   zu   einem unpolitischen   „Keine    Gewalt“   umfunktioniert,   wobei   von Herrschenden und  Medien mit  aller Macht  die Gleichsetzung  der „Gewalt von  rechts und links“ betrieben wurde. Und vergessen wir nicht, daß  in das Jahr 1993 sowohl die von einer klaren Mehrheit in der  Bevölkerung getragene Abschaffung des Asylrechts als auch wenige Tage darauf die Morde von Solingen fielen.

Im Bereich  der Arbeiterinnenkämpfe  hatte  es  1993  tatsächlich einen Aufschwung  gegeben. Schlagzeilen  machte vor allem der Widerstand in  Bischofferode, aber  auch sonst  stieg die  Zahl der Streiks, Demonstrationen und Aktionen gegen die unsoziale Politik des Kapitals  1993 an. Doch waren dies nicht mehr und nicht weniger als  soziale Abwehrkämpfe.  Es ging um die Abwehr von Zechenstillegungen, Entlassungen,  Lohnkürzungen usw. Dieser Aufschwung war zwar ermutigend, aber in ihm den Beginn eines Infragestellens des kapitalistischen  Systems zu  sehen, ist reines Wunschdenken. Eher war  er –  ermutigend genug  – ein  Anzeichen dafür, daß der Tiefpunkt der Handlungsunfähigkeit der Linken und der Arbeiterinnenbewegung nach  1989/90 durchschritten war. Als Zeichen für den „Beginn einer  revolutionären Gärung“  wertet die  MLPD auch  das schwindende Vertrauen  der Massen in die parlamentarischen Spielregeln, gegenüber den „Volksparteien“ CDU/CSU/SPD/FDP und – teilweise –  den Bündnisgrünen.  Ausdruck dessen waren zum einen eine rapide steigende  Zahl von Wahlenthaltungen und zum anderen spektakuläre Erfolge von Kleinparteien und Neugründungen, wie in Hamburg der Einzug der „Statt-Partei“ in die Bürgerschaft. Aber dieses schwindende  Vertrauen in die „Volksparteien“ kann noch weniger als  Anzeichen eines  klareren Blicks  auf die Realitäten der kapitalistischen BRD  gewertet werden.  Zum einen  sank zwar  die Wahlbeteiligung, aber  es gab  keinerlei Anhaltspunkte dafür, die steigende Wahlenthaltung  als aktiven  Wahlboykott, als  Anfangspunkt verstärkter außerparlamentarischer Aktivitäten zu interpretieren. Sie  war eher  ein Ausdruck der zunehmenden Entpolitisierung in  der Bevölkerung,  ging nicht  mit einer  Steigerung  von Selbstorganisation und  Engagement einher.  Zum anderen  stellten die zeitweilig  erfolgreichen Kleinparteien  nie  das  System  in Frage. Nicht  die Linke,  sondern populistische und neofaschistische Organisationen  (DVU, Reps) profitierten von diesem zeitweiligen Aufschwung.  Eine zunehmende Ablehnung des kapitalistischen Systems, die über Kritik an Symptomen hinausging, gab es – zumindest im  Westen – nicht. Dies alles festzustellen, bedarf es keiner besonderen  analytischen Fähigkeiten. Die MLPD wurde hier Opfer ihrer Euphorie des Jahres 1993 – als sie anderen Organisationen, darunter auch der DKP, vorwarf, die Parole vom sich vollziehenden Rechtsruck sei falsch – und brachte in der Folgezeit nicht den Mut  auf, mit  dieser völlig falschen Einschätzung des Jahres 1993 als „Beginn einer revolutionären Gärung“ zu brechen.

Isolation

Ihre Politik hat die MLPD – wie bereits festgestellt – schon seitlangem in die Isolation geführt. Dies ist der Partei auch bewußt, und sie  bemüht sich  darum, diese  Isolation zu durchbrechen. Da sie aber  nicht bereit  ist, sich  zu korrigieren, führte dies in der Vergangenheit zu einem wilden Wechselbad zwischen Anbiederung an andere  linke Organisationen und v.a. deren Mitglieder auf der einen Seite  und Alleinvertretungs- und „Allwissenheits“-Anspruch auf der  anderen. Vor  allem in  Regionen, in  denen die MLPD nur über eine schwache Präsenz verfügt – z.B. in Hamburg -, sucht sie die Zusammenarbeit  mit anderen  Teilen der  Linken, z.B. mit der DKP. So  beteiligte sich  die MLPD 1993 an dem Wahlbündnis „Linke Alternative –  Wehrt Euch“  zu den  Hamburger Bürgerschaftswahlen (bestehend außerdem aus AL, BWK, DKP, PDS, Lesbenring, Volksfront und Mitgliedern der VVN). Während sie bezüglich des Wahlprogramms des Bündnisses  ungewöhnlich kompromißbereit war, sorgte sie während des  Wahlkampfes für  Ärger, da sie sich nicht an Absprachen hielt und außerdem versuchte, der formal als Personenbündnis konstituierten Linken  Alternative den Charakter eines Parteienbündnisses aufzudrücken, indem sie den der Partei angehörenden Kandidaten als  „Kandidat der MLPD“ und den „Grundsätzen der MLPD-Kandidaten“ verpflichtet bezeichnete.

Um die trotzdem weiterbestehende Isolation wenigstens zu kaschieren, organisiert die MLPD Pseudo-Bündnisse unter ihrer Regie. Ein Paradebeispiel für  ein solches „Bündnis“ war der Veranstalterinnenkreis für  das „7. Internationale Pfingstjugendtreffen“. Abgesehen von  einigen wenigen  lokalen Initiativen  und Musikgruppen sowie  türkischen   und  kurdischen  Immigrantinnenorganisationen (Komkar, Yek-Kom) bestand dieser Kreis ausschließlich aus von der MLPD gegründeten  Organisationen und Einrichtungen (Jugendverband Rebell, Frauenverband  Courage, Aktion „Arbeitsplätze für Millionen“, Ernst-Thälmann-Buchhandlung  Stuttgart u.a.).  Die auf  den ersten Blick überraschend große Anzahl aufrufender Organisationen ergibt sich aus der Auflistung der MLPD-Schwesterparteien aus aller Welt  sowie der zumeist mit MLPD/Rebell-Mitgliedern personenidentischen „Initiativgruppen“  8). Es  fehlten jedoch  alle  die Teile aus  dem nicht-MLPD-nahen Spektrum der Linken, von dem z.B. die Antifa-Aktivitäten  der Gegenwart hauptsächlich ausgehen: weder aus dem Umfeld der autonomen und Antifa-Bewegung noch aus dem der PDS, der DKP oder anderen linken Organisationen nahestehenden Bereich waren Gruppen dabei.

„Proletarische Denkweise“

Die zwiespältige, teilweise „umarmende“ Taktik der MLPD gegenüber der „restlichen“ Linken ist mittlerweile anscheinend wieder einer stärkeren Abschottung gewichen, parallel zur zunehmenden Betonung der Rolle  der „proletarischen  Denkweise“ durch die MLPD. Stefan Engel erklärte  in dem  schon angesprochenen  Interview  mit  der Roten Fahne: „Die proletarische  Denkweise kann  sich als Grundlage nur durchsetzen in einem entschiedenen Kampf gegen alle Erscheinungsformen der kleinbürgerlichen Denkweise. In der  Arbeiterbewegung sind  es vor allem der Reformismus, aber auch der  Revisionismus, die  den Masseneinfluß  der marxistisch-leninistischen Partei  abschirmen. Beide  ideologische Strömungen sind organisierter  Ausdruck der  kleinbürgerlichen Denkweise  in der Arbeiterbewegung und das Haupthemmnis für die Entwicklung des Klassenbewußtseins… Besonders  wirksam ist  das  Zusammenwirken der kleinbürgerlich-reformistischen und der kleinbürgerlich-revisionistischen Denkweise,  die durch  die PDS  repräsentiert wird. Die PDS  ist so  zum Haupthindernis  für die Zuwendung der Massen zum echten  Sozialismus in Gesamtdeutschland geworden. Es war einer der  Hauptfehler in der Wahlkampagne, die ideologisch-politische Auseinandersetzung  mit der PDS, aber auch mit anderen Strömungen des  Reformismus und  des Revisionismus  vernachlässigt zu haben.“ 9)

So einfach  ist das: Die PDS ist schuld daran, daß die MLPD keine Massenpartei ist (merkwürdig nur, daß die MLPD auch in Zeiten vor der Existenz  der PDS  nur ein kleines Häuflein war). Nicht erst, aber verstärkt seit dieser Erklärung des MLPD-Vorsitzenden greift die  Rote   Fahne  die   PDS  und   die  „Agentur   des  modernen Revisionismus in der BRD“ 10), die DKP an. Auch in  der allgemeinen Politik der MLPD spielt die Propagierung der „Lehre  von der Denkweise“ eine große Rolle. In diesem Zusammenhang Stefan Engel: „Während das Klassenbewußtsein sich sprunghaft entwickeln kann und zumindest zeitweilig auch ‚von außen‘ in die Arbeiterbewegung  hineingetragen werden kann (…), kann sich die proletarische  Denkweise nur schrittweise durch eine systematische Wechselwirkung  und Durchdringung  von  allen  Seiten  der Theorie des  Marxismus-Leninismus mit  allen praktischen Kampferfahrungen entwickeln.“ 11) Und in  einem  anderen  Interview  mit  der  Parteizeitung:  „Die proletarische Denkweise  besteht darin, die Wirklichkeit in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit zu analysieren, ihren Entwicklungsgang aufzudecken, entsprechende Schlußfolgerungen daraus zu ziehen und sie dann konsequent in die Praxis des Klassenkampfes umzusetzen.“ 12)

Eine genaue  Definition, was  denn nun  die „proletarische  Denkweise“ sein  soll, nach welchen Prinzipien, nach welcher Methodik sie funktionieren soll, bleib: zumindest die Rote Fahne schuldig. Für eine  nähere Beschäftigung  mit der „Lehre von der Denkweise“ wird auf  das MLPD-Theorieorgan  Revolutionärer Weg  oder auf zumeist im Ruhrgebiet stattfindende Veranstaltungen mit dem Parteivorsitzenden verwiesen.  Auf der  anderen Seite  fordert das Zentralkomitee aber,  diese Theorie  den Massen näherzubringen: „Die marxistisch-leninistische Partei muß auf der Grundlage der proletarischen Denkweise  arbeiten, die  Erziehung zu einer proletarischen Denkweise  unter den Massen in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellen.“ 13) Angesichts dieses Widerspruchs bleibt die Propagierung der „proletarischen Denkweise“ nicht mehr als eine Werbekampagne für die Anerkennung der Avantgarderolle der MLPD.

Für die Wiedervereinigung – gegen „Revisionismus“

Den Schwerpunkt  ihrer Agitation sieht die MLPD in der Bekämpfung des „Revisionismus“,  d.h. der  Politik von  DKP und PDS, und des „real existierenden Sozialismus“, den sie als „bürokratischen Kapitalismus“ beschreibt. Diese Definition der Gesellschaftsordnung in den  Staaten v.a. Osteuropas als besondere Form des Kapitalismus führte  dazu, daß  die MLPD die Verschlechterung der Lage und der Kampfbedingungen  der arbeitenden  Menschen in  Ost und  West durch den  Zusammenbruch  des  realsozialistischen  Lagers  nicht wahrnehmen will.  Wenn die MLPD noch fünf Jahre nach dem Anschluß der DDR  diesen feiert,  weil in  der Folge die Arbeiterinnen gemeinsam kämpfen  könnten (s.o.),  wird dies  besonders kraß deutlich: Zusammen  kämpfen gegen  Dinge, gegen die sich die Menschen im Osten  vorher nicht wehren mußten (Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Rentenstrafrecht für Hunderttausende…) und die sich im Westen in der Folge der „Deutschen Einheit“ bzw. des Wegfalls der DDR stark verschärften.

Es geht  hier nicht um eine Bewertung des „real existierenden Sozialismus“, sondern schlicht um die Anerkennung der Tatsache, daß durch die  Existenz eines dem Zugriff des Westens weitgehend entzogenen Staatenblocks  dem Imperialismus Schranken gesetzt waren, die mit  dem Zusammenbruch  dieses Lagers wegfielen. Die deutsche Großmachtrolle in  militärischer Hinsicht (wirtschaftlich ist die BRD schon  lange eine  Großmacht) war  im „geteilten Deutschland“ nicht  möglich.   Die  rassistischen   Terrorakte,  die   wir  im „wiedervereinigten Deutschland“  in nie  gekanntem Ausmaß erleben müssen, sind  u.a. eine direkte Folge der von Regierenden und Medien geschürten  nationalistischen Propaganda.  Und nicht zuletzt hängen die  Vorstöße der  Stihl & Co. in Sachen radikalster Sozialabbau eng  damit zusammen,  daß die „unsichtbare dritte Partei“ bei Tarifverhandlungen  verschwunden ist: die DDR, deren Bevölkerung die  BRD und  Westberlin als „soziales Schaufenster“ des Westens präsentiert  wurde. Um  dies festzustellen,  muß ich  nicht alle Aspekte der DDR verteidigen, und ich kann auch ohne Probleme einräumen, daß  die DKP in der Vergangenheit große Fehler gemacht hat. Wenn aber der Haß auf den „Revisionismus“ unfähig macht, positive Seiten  der Existenz  der DDR  gerade für  die arbeitenden Menschen zu sehen, führt dies zu so fatalen Schlußfolgerungen wie der Unterstützung  der Einverleibung  der DDR durch den westdeutschen Imperialismus.

Die MLPD steuert mit ihrer sektiererischen Politik immer mehr ins Abseits. Das  müßte andere  Linke nicht  interessieren, wenn  die Partei nicht  durch ihre  teilweise massive und aufdringliche Öffentlichkeitsarbeit und  ihr Hineindrängen  in Bündnisse  mit dem Versuch, diese für ihre Linie zu instrumentalisieren (wie z.B. im Zusammenhang mit  den Antikriegsdemonstrationen um den 1. September 1995) 14), zu einer Schwächung und Selbstzerfleischung linker Bewegungen und zur Verwirrung bzw. Abschreckung noch außenstehender Menschen  beitragen würde.  Es ist  äußerst bedauerlich,  daß durch diese  offizielle Linie der MLPD die Zusammenarbeit mit den oft wirklich ehrlich an Zusammenarbeit interessierten Mitgliedern der Partei so erschwert wird.

  1. Rote Fahne (RF) 39/95, S. 3
  2. Geschichte der MLPD, 1. Teil, Stuttgart 1985, S. 14
  3. RF 22/95, S. 18
  4. Ebd.
  5. RF 2/95, S. 12
  6. Ebd.
  7. RF 9/95,  S. 9: „In diesem Zusammenhang steht ein Umschwung im Bewußtsein der  Massen. 1993 entwickelten sich aus der wachsenden Unzufriedenheit heraus  Elemente des Übergangs in eine revolutionäre Gärung. 1994 fiel das Bewußtsein der Massen weit zurück. Vor allem durch die neue Klassenzusammenarbeitspolitik und die parlamentarische Aufwertung  der Grünen und der PDS wurde das proletarische Klassenbewußtsein wieder zersetzt.“
  8. Programmheft zum „7. Internationalen Pfingstjugendtreffen“, S. 8
  9. RF 9/95, S. 15
  10. Geschichte der MLPD, a.a.O., S. 13
  11. RF 9/95, S. 12
  12. RF 23/95, S. 8
  13. RF 9/95, S. 13
  14. Vgl. RF 32/95, S. 3: „Es geht nicht um die Wiederbelebung der ‚alten‘ kleinbürgerlichen  Friedensbewegung, sondern  um die Entfaltung des  Kampfs gegen  Imperialismus und Militarismus auf der Grundlage proletarischer  Prinzipien und Selbstorganisation.“ Sowie: RF 33/95, S. 13; RF 34/95, S. 3/13

Erschienen im Heft 2 (März/April) 1996 der Zeitschrift Marxistische Blätter