Zersplittert für die Demokratie

Spaniens Linke geht zerstritten in die für den 28. April vorgesehene Parlamentswahl. Zwischen spanischen und katalanischen Kommunisten ist ein offener Zwist um das korrekte Herangehen und die beste Kandidaturform ausgebrochen. Am Mittwoch veröffentlichte die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) eine offizielle Erklärung, in der sie ohne Namensnennung führende Vertreter der katalanischen Linken auffordert, ihre Funktionen in der Vereinten Linken (IU) aufzugeben.

Die IU, deren stärkste Kraft die PCE ist, will bei den Parlamentswahlen erneut im Bündnis mit Podemos antreten. Ihr Gegenstück in Katalonien ist die Vereinte und Alternative Linke (EUiA), und diese hat – analog zur Beschlusslage in Spanien – entschieden, wieder eine Allianz mit der Bewegung von Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau, Catalunya en Comú (Katalonien gemeinsam), und mit Podemos einzugehen.

Doch ein Teil der EUiA tanzt aus der Reihe. Im vergangenen Herbst gründete der bisherige EUiA-Generalkoordinator Joan Josep Nuet, der auch Generalsekretär der Comunistes de Catalunya (Kommunisten Kataloniens) ist, zusammen mit anderen Unzufriedenen eine neue Strömung innerhalb von Catalunya en Comú – die »Sobiranistes«. Diese wolle, wie er im Gespräch mit dem Internetportal Cuarto Poder sagte, die »ursprünglichen Ziele« des Linksbündnisses wiederbeleben. Dabei gehe es nicht um die Forderung nach Unabhängigkeit, sondern um die Souveränität Kataloniens, also das Recht der Menschen in der Region, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden. Das Ziel einer Katalanischen Republik, das Catalunya en Comú ursprünglich verfolgt habe, sei von der aktuellen Führung jedoch aufgegeben worden.

Die »Sobiranistes« sind nun ein Wahlbündnis mit der sozialdemokratisch orientierten und für die Unabhängigkeit eintretenden Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) eingegangen. Nuet kandidiert auf dem vierten Listenplatz im Wahlkreis Barcelona und dürfte damit ein Mandat sicher haben. Die ERC ist in Umfragen derzeit stärkste Partei Kataloniens und dürfte rund 15 Sitze in Madrid gewinnen.

Das Zentralkomitee der Comunistes de Catalunya hat sich mehrheitlich hinter den Generalsekretär gestellt. Das Bündnis mit der ERC sei aber auf die bevorstehende Parlamentswahl beschränkt. Bei den Europa- und Kommunalwahlen will man dagegen wieder zusammen mit der EUiA und Catalunya en Comú antreten. Nuet, der kein »Independentista« ist, sondern sich für eine spanische Bundesrepublik ausspricht, rechtfertigt das mit einer »Ausnahmesituation«. Die spanische Justiz führe »einen Prozess gegen die Demokratie«, sagte er Cuarto Poder. Das Justizverfahren, bei dem in Madrid bekannte Repräsentanten der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung vor Gericht stehen, bringe Spaniens Demokratie insgesamt in Gefahr. Es gehe aktuell nicht um das Für und Wider einer Abspaltung Kataloniens, sondern um die Verteidigung der Demokratie. Er ist in diesem Verfahren selbst angeklagt, weil er als Mitglied des Parlamentspräsidiums die Diskussion von Anträgen zur Selbstbestimmung Kataloniens zugelassen hatte. Während Nuet aber auf freiem Fuß bleiben durfte, ist ERC-Chef Oriol Junqueras inhaftiert. Von seiner Partei wurde er trotzdem zum Spitzenkandidaten für die Parlamentswahlen gekürt – und soll bis zu seiner Freilassung bei jeder künftigen Wahl die Listen anführen, wie ERC-Sprecherin Marta Vilalta ankündigte.

Als »unmoralisch« kritisierte dagegen die Fraktionschefin von Catalunya en Comú, Jéssica Albiach, das »Überlaufen« Nuets. Er sei deshalb aus der Gruppe ausgeschlossen worden. Der verzichtete daraufhin auf sein Abgeordnetenmandat – ein symbolischer Schritt, denn bei einer Wahl in den spanischen Kongress müsste er den Sitz im katalanischen Parlament ohnehin aufgeben.

Neben Catalunya en Comú und ERC tritt in Katalonien jedoch noch eine weitere linke Liste zur spanischen Parlamentswahl an. Nachdem die linksradikale CUP (Kandidatur der Volkseinheit) entschieden hatte, sich nicht zur Wahl zu stellen, ergriff deren kommunistische Strömung Poble Lliure (Freies Volk) die Initiative zu einer »Republikanischen Front«. Gemeinsam mit der katalanischen Piratenpartei und der Podemos-Abspaltung »Wir sind Alternative« will man Sitze in Madrid erringen. Die Chancen dafür stehen allerdings eher schlecht.

Erschienen am 22. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt