Zehn Jahre Putsch in Honduras: Nichts wurde besser

Am heutigen Freitag jährt sich der Sturz des honduranischen Präsidenten José Manuel Zelaya zum zehnten Mal. Am 28. Juni 2009 gingen Bilder um die Welt, die den Staatschef noch im Schlafanzug in Costa Rica zeigten. Zelaya war im Morgengrauen von den Putschisten aus dem Bett gezerrt und mit dem Flugzeug ins Exil gezwungen worden – mit tatkräftiger Unterstützung der USA, die in Honduras eine wichtige Militärbasis unterhalten. In Deutschland wurde verständnisvoll auf das »Eingreifen« der Generäle reagiert, und insbesondere die FDP und ihre Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützten ganz offen den Staatsstreich.

Zehn Jahre später müssen wir feststellen, dass der Putsch gegen Zelaya das vorläufige Ende der Linksentwicklung und der Beginn des konterrevolutionären Rückschritts in Lateinamerika war. 2012 wurde in Paraguay der gewählte Präsident Fernando Lugo gestürzt, es folgte der parlamentarische Staatsstreich gegen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff 2016. Nicht zu vergessen die auch gewaltsam ausgetragenen Revolten in Venezuela, Nicaragua, Ecuador und Bolivien. Und auch die Wahlsiege der Rechten in Argentinien, Chile, Kolumbien und El Salvador stehen für ein vorläufiges Ende vieler Hoffnungen.

Besser geworden ist seither nichts in Lateinamerika. Der Vormarsch der Reaktion hat zu mehr Armut, mehr Verbrechen, mehr Hoffnungslosigkeit geführt. Das gegenwärtige Drama an der Grenze zwischen Mexiko und USA ist deshalb nicht zu verstehen ohne die jüngste Geschichte des Kontinents. Hunderttausende Menschen riskieren ihr Leben, weil sie in ihrer Heimat nichts mehr zu verlieren haben.

In Honduras liegt allein die Zahl der zwischen Anfang 2010 und März 2018 ermordeten Studentinnen und Studenten nach Angaben der Nationalen Universität des zentralamerikanischen Landes bei über 1.500. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum fast 27.000 Kinder und Jugendliche bei Gewaltverbrechen getötet. Für 2019 verzeichnet das Onlineportal El Libertador bis Mitte Juni schon 86 Massaker mit mehreren hundert Opfern.

Versuche, sich gegen die Situation aufzulehnen, werden brutal niedergeschlagen. Fast täglich gibt es Meldungen über Verletzte während der aktuellen Demonstrationen gegen die Privatisierung von Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen. Seit Beginn der Proteste gegen die manipulierten Wahlen 2017 wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 54 Menschen durch die Militärs ermordet.

Kein Wort dazu von der Organisation Amerikanischer Staaten. Keine Sanktionen der USA und der EU gegen die Regierung von Staatschef Juan Orlando Hernández. Keine Ausgrenzung von Repräsentanten der honduranischen Regierung durch das Auswärtige Amt in Berlin. Warum auch – es geht ja nicht um Venezuela.

Erschienen am 28. Juni 2019 in der Tageszeitung junge Welt