Zahlenspiele in Venezuela

Nach der Präsidentschaftswahl in Venezuela hat im In- und Ausland das Interpretieren der Ergebnisse begonnen. Klarer Gewinner war mit 6,2 Millionen Stimmen – so die am Montag (Ortszeit) vom Nationalen Wahlrat veröffentlichten Ergebnisse – Amtsinhaber Nicolás Maduro. Auf ihn entfielen 67,8 Prozent der Wählerstimmen, sein wichtigster Konkurrent Henri Falcón erreichte abgeschlagen fast 21 Prozent. Auch der evangelikale Pastor Javier Bertucci blieb mit 10,8 Prozent deutlich hinter seinen eigenen Erwartungen zurück.

Der entscheidende Faktor bei allen Analysen ist die Wahlbeteiligung, die mit nur 46 Prozent äußerst niedrig lag. Trotzdem feiert das staatliche Fernsehen VTV in Spots kaum nachvollziehbar die »historische Beteiligung« an der Abstimmung am Sonntag. Zudem werden Vergleiche mit den Ergebnissen anderer amerikanischer Präsidenten – einschließlich Donald Trump – gezogen, die bezogen auf die jeweiligen Wahlberechtigten mit geringeren Prozentsätzen gewählt wurden. Dagegen sehen sich die ultrarechten Oppositionsparteien als Sieger, die Mehrheit der Venezolaner sei ihren Boykottaufrufen gefolgt. Dem widerspricht Falcón: Der Sonntag habe gezeigt, dass die Wahlenthaltung »ins Nirgendwo« führe. In einer Botschaft an seine Wähler bekräftigte er am Montag über Twitter: »Die Zeit wird uns recht geben«.

Während China, Russland, Kuba, El Salvador und andere Länder Venezuela zum friedlichen Ablauf der Abstimmung und Maduro zu seiner Bestätigung im Amt beglückwünschten, ließ Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) die Menschen in Venezuela wissen: »Das waren nicht die freien und fairen Wahlen, die das venezolanische Volk verdient hat.« Die USA kündigten weitere Sanktionen gegen das südamerikanische Land an.

Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV), die gut 170.000 Stimmen zum Wahlsieg Maduros beigesteuert hatte, forderte den Staatschef auf, sein Kabinett umzubilden. »Es sind mehr Minister, die gehen, als solche, die bleiben sollten«, sagte PCV-Generalsekretär Óscar Figuera am Montag (Ortszeit) bei der wöchentlichen Pressekonferenz seiner Partei in Caracas. »Jetzt ist nicht die Zeit zum Feiern, sondern die zum Regieren«, forderte er den Präsidenten auf. Es komme jetzt auf Kritik und Selbstkritik sowie die Korrektur der bisherigen Politik an.

Erschienen am 23. Mai 2018 in der Tageszeitung junge Welt