Wem nützt Zapatas Tod?

Der Tod eines kubanischen Häftlings nach einem 85 Tage dauernden Hungerstreik hat eine internationale Kampagne gegen die Regierung in Havanna ausgelöst. Der Sprecher des State Departments in Washington, Philip J. Crowley, erklärte postwendend, der Tod von Orlando Zapata Tamayo unterstreiche »das Unrecht Kubas«. Für die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung paßt »der Tod Zapatas (…) zur insgesamt tristen Situation der Menschenrechte auf Kuba«. Amnesty International sprach unter Berufung auf kubanische Regierungsgegner von »vorsätzlichem Mord«.

Ohne näheres Hinsehen zählten diese Kommentatoren Orlando Zapata zu 75 Regierungsgegnern, die im März 2003 von den kubanischen Behörden als US-Söldner verhaftet wurden. Allerdings war Zapata bereits ein Jahr zuvor wegen zahlreicher Delikte verurteilt worden, die er seit 1998 begangen hatte, und die keinen politischen Hintergrund erkennen ließen, darunter Hausfriedensbruch und illegaler Waffenbesitz. Am 7. März 2003 wurde er freigelassen, jedoch bereits 13 Tage später nach erneuten Gesetzesverstößen wieder verhaftet und aufgrund seiner Vorstrafen nun zu drei Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis fiel Zapata dann Behördenangaben zufolge mehrfach wegen Störungen und aggressiven Verhaltens auf, die zu weiteren Verurteilungen führten. In den von kubanischen »Dissidenten« und der UN-Menschenrechtskommission verbreiteten Listen der 75 im März verhafteten Konterrevolutionäre sucht man den Namen Zapatas allerdings vergeblich, die Regierungsgegner zählten Zapata offenbar nicht zu ihren Leuten. Auch später blieb Zapata in Oppositionskreisen isoliert, die ihn noch Jahre nach seiner Verhaftung nicht als »politischen Gefangenen« anerkannten. Lediglich Amnesty International stufte ihn ab 2004 als einen solchen ein.

Erst mit seinem Tod ist Orlando Zapata für die Oppositionsgruppen zu einem »Helden« geworden. »Wie Geier lungerten einige Medien, Hinterhofsöldner und die internationale Rechte um den Sterbenden herum. Sein Hinscheiden ist ein Fest. Es ist ein ekelerregendes Spektakel«, schrieb der kubanische Journalist Enrique Ubieta am vergangenen Sonnabend in einem Kommentar für die kubanische Tageszeitung Granma. »Wer sind diejenigen, die Zapata dazu ermunterten, an einer Haltung festzuhalten, die offensichtlich selbstmörderisch war. Wem kam sein Tod zupaß? Das bittere Ende erfreut die heuchlerisch ›Trauernden‹ zutiefst. Zapata war der perfekte Kandidat: ein ›entbehrlicher‹ Mann für die Feinde der Revolution und leicht davon zu überzeugen, doch auf seinen absurden Forderungen zu bestehen: Fernsehen, eigene Küche, eigenes Telefon in der Zelle.« Die Regierungsgegner dementieren, daß Zapata diese Forderungen gestellt hat. In ihren Erklärungen heißt es lediglich, er habe »bessere Haftbedingungen« gewollt.

Seit dem Tod Zapatas verweigert auch der nicht inhaftierte Guillermo Fariñas das Essen. Der Agenturberichten zufolge mittlerweile stark geschwächte Regierungsgegner wollte sich am Dienstag auch nicht von einem Arzt in ein Krankenhaus einweisen lassen. Seine Entscheidung sei »unumkehrbar«, wird er von AFP zitiert. »Ich werde keine Art von Nahrung zu mir nehmen.« Welche konkreten Forderungen er erhebt, geht aus der Meldung nicht hervor.

Unterdessen erinnerte der kubanische Präsident Raúl Castro daran, daß der Schlüssel für eine Lösung der Probleme in Washington liege. An »dem Tag, an dem die USA entscheiden, mit uns in Frieden leben zu wollen, werden alle diese Probleme enden, und wir werden viele weitere Probleme überwinden können«, sagte er gegenüber Medienvertretern. Bereits mehrfach hatte er vorgeschlagen, die von der kubanischen Regierung als Söldner betrachteten Regierungsgegner in die USA zu schicken, wenn Washington im Gegenzug die fünf Kubaner freiläßt, die seit mehr als elf Jahren in US-Gefängnissen inhaftiert sind, weil sie antikubanische Terrorgruppen in Miami unterwandert hatten. Bislang hat das Weiße Haus diesen Vorstoß ignoriert.

Erschienen am 4. März 2010 in der Tageszeitung junge Welt