Wahlversprechen des Tages: EU-Kommissionspräsident

Wie haben sie sich im Wahlkampf ins Zeug gelegt. Die Bürger der EU sollten entscheiden, wer neuer Kommissionspräsident werden soll. CSU-Mann Manfred Weber? Oder Frans Timmermans von den Sozialdemokraten? Oder vielleicht die Liberale Margrethe Vestager? Sogar Fernsehdebatten der Spitzenkandidaten gab es. Jawoll, »Europa« ist der Hort der Demokratie.

Kaum sind die Wahlplakate weggeräumt, herrscht in Brüssel wieder Alltag. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs gab es am Donnerstag weder eine Einigung auf Klimaschutzziele noch über das von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geforderte Euro-Zonen-Budget. Im Mittelmeer lässt der Friedensnobelpreisträger EU weiter ungerührt Tausende Menschen im Jahr ertrinken, und auch die Besetzung der vakanten Spitzenposten wurde vertagt.

Denn was im Wahlkampf wortreich verschwiegen wurde: Das Europaparlament hat bei der Frage, wer neuer »Regierungschef« der EU wird, nichts Entscheidendes zu sagen. Die Abgeordneten müssen sich damit begnügen, was ihnen Merkel, Macron und die übrigen Herrschaften servieren. Und wenn die sich auf niemanden einigen können, dann bleibt halt Juncker dran bis irgendwann.

Doch die Rettung für Europa naht! Sachsen springt in die Bresche! Wie die Saarbrücker Zeitung berichtet, hat Dresden im Bundesrat eine Gesetzesinitiative eingebracht, nach der Fahne und Hymne der EU künftig unter Schutz gestellt werden. Drei Jahre Haft oder Geldbuße soll es für denjenigen geben, der den blauen Lappen »entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht«. Wie schön, dass man im Freistaat keine anderen Probleme hat. Was sind schon Mordaufrufe bei Pegida-Aufmärschen, Hetzjagden, die keine gewesen sein sollen, Angriffe auf jüdische Geschäfte und der Sachsensumpf gegen eine verunstaltete EU-Fahne?

Erschienen am 22. Juni 2019 in der Tageszeitung junge Welt