Wahlfarce in Honduras

Fast auf den Tag genau fünf Monate nach dem gewaltsamen Sturz des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya ist Honduras am vergangenen Sonntag dem Wolf zum Fraß vorgeworfen worden. Bei einer von Betrugsvorwürfen und Gewalt überschatteten Wahlfarce wurde offiziellen Angaben zufolge Porfirio Lobo („Wolf“) zum neuen Präsidenten des zentralamerikanischen Landes gewählt. Das Oberste Wahlgericht (TSE) teilte mit, der Kandidat der Nationalen Partei (PNH) sei auf gut 57 Prozent der Stimmen gekommen. Weit abgeschlagen folgte demnach der Vertreter der Liberalen Partei, Elvin Santos, mit gerade einmal 33 Prozent.
Somit haben sich die honduranischen Liberalen, aus deren Reihen sowohl der am 28. Juni gestürzte Präsident Manuel Zelaya als auch der seit dem Staatsstreich amtierende „Übergangspräsident“ Roberto Micheletti stammen, selbst aus der Regierung geputscht. Vor dem Sturz Zelayas hatte ein Sieg Santos´ noch als ausgemachte Sache gegolten. Obwohl er den politischen Linksschwenk Zelayas kritisiert und eine Rückkehr zur traditionellen, rechten Politik honduranischer Regierungen angekündigt hatte, schien er von der Popularität des Präsidenten profitieren zu können. Doch der Putsch zerschlug diese Träume, denn er zersplitterte die Anhängerschaft der Liberalen Partei in Putschgegner und Putschunterstützer.

Um seinem schwindenden Vorsprung in den Umfragen entgegen zu wirken, versuchte Santos, der vehement bestritt, ein Putschist zu sein, Lobo als „Linken“ und „Chávez´ zweite Wahl“ – nach dem gestürzten Staatschef Zelaya – darzustellen, obwohl die PNH die am weitesten rechts stehende Partei des zentralamerikanischen Landes ist. Santos spielte mit solchen Vorwürfen vor allem auf „Jugendsünden“ Lobos an, der als Mittzwanziger in Moskau an der Patrice-Lumumba-Universität studiert hatte. Solche linken Anwandlungen hat der Oligarchensohn und Großgrundbesitzer jedoch längst weit hinter sich gelassen. Recht geschickt hielt er sich aber in den Wochen nach dem Putsch mit Äußerungen zu den Ereignissen zurück, und noch am Wahltag versuchte er, den Staatsstreich als eine innerparteiliche Auseinandersetzung der politischen Konkurrenz darzustellen: „Ich gehöre weder zu den einen noch zu den anderen. Das sind Probleme der und zwischen den Liberalen. Wir sind die Opposition, und unser Ziel ist, dem honduranischen Volk zu helfen.“ Trotzdem kann keine Rede davon sein, dass Lobo durch eine freie und faire Wahl in das Amt gekommen wäre, das er offiziell im Januar übernehmen soll. Schon der Wahlkampf war vom wochenlangen Belagerungszustand, willkürlichen Verhaftungen, Morden an Aktivisten der Widerstandsbewegung gegen die Putschisten und der Schließung von Rundfunk- und Fernsehstationen überschattet.

Der unabhängige Präsidentschaftskandidat Carlos H. Reyes sowie zahlreiche Vertreter der Liberalen Partei, der sozialdemokratischen PINU und der linken UD zogen ihre Kandidaturen zurück, um sich dieser Farce nicht zu unterwerfen. Der Präsidentschaftskandidat der UD, César Ham, hatte hingegen an seinem Antritt festgehalten, wurde dafür jedoch mit einem Ergebnis von 1,5 Prozent abgestraft – dem schlechtesten aller fünf Kandidaten. Offenbar folgten auch die meisten der UD-Anhänger dem Aufruf zum Boykott der von den Putschisten kontrollierten Wahlfarce.

Schon vor Beginn der Abstimmung waren grobe Unregelmäßigkeiten bekannt geworden. So berichtete die kubanische Agentur Prensa Latina unter Berufung auf Sprecher der Widerstandsbewegung, dass die den Wählern ausgehändigten Stimmzettel nummeriert seien, so dass bei der Auszählung das Stimmverhalten jedes Wählers nachvollziehbar wurde. Die den Putschisten treu ergebene Tageszeitung „El Heraldo“ hatte diese Vorwürfe indirekt bereits am 6. November bestätigt. „Ein neues System der Übertragung der Auszählungs- und Wahlergebnisse, Veränderungen in der Mechanik des Wahlmaterials mit vollkommen sicheren Urnen, nummerierte und mit Strichcodes markierte Stimmzettel sind einige der Neuheiten, die eine nationale und internationale Überprüfung dieser Wahlen ermöglichen werden“, schrieb das Blatt damals.

Am Wahltag selbst kontrollierten Zehntausende Soldaten, Polizisten und Paramilitärs die Städte, um Proteste im Keim zu ersticken. In der zweitgrößten Stadt des Landes, San Pedro Sula, ging die Polizei mit Tränengas und einem Wasserwerfer gegen Demonstranten vor. In der Hauptstadt Tegucigalpa wurde ein Mensch durch Schüsse der Soldaten getötet, informierte der Präsident des honduranischen Menschenrechtskomitees CODEH, Andrés Pavón. Den seiner Organisation vorliegenden Informationen zufolge wurden 83 Personen verhaftet, von denen 22 am Montag noch nicht freigelassen worden waren. Der jüngste der Verhafteten sei gerade einmal zwölf Jahre alt gewesen.

Eine inoffizielle Beobachtung des Wahlverlaufs durch das CODEH ergab außerdem, dass die vom TSE genannten Zahlen von bis zu 60 Prozent Beteiligung massiv geschönt sind. Die reale Wahlbeteiligung habe nur bei 21,5 Prozent gelegen, so Pavón, der außerdem forderte: „Das Ergebnis dieses Wahlprozesses darf von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt werden.“ Die Farce habe nur dazu dienen sollen, „einer neuen Regierung Legitimität zu verschaffen und zu versuchen, die Putschisten reinzuwaschen.“ Die Frage der Anerkennung der Lobo-Regierung wurde in den Tagen nach der Wahl zum großen Diskussionsthema auf der internationalen Bühne. Während Brasilien, Venezuela, Nicaragua, Ecuador, Bolivien, Uruguay und zahlreiche weitere Staaten der Region dem neuen Staatschef die Anerkennung verweigern und nach wie vor auf einer bedingungslosen Wiedereinsetzung von Zelaya bestehen, erkannten Kolumbiens Staatschef Álvaro Uribe und der als Vermittler in Honduras gescheiterte Präsident von Costa Rica, Óscar Arias, das neue Regime umgehend an. Auch Washington signalisierte bereits, Lobo den Segen geben zu wollen.

Der rechtmäßige Präsident Manuel Zelaya, der noch immer in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa ausharrt, forderte dagegen die Annullierung der Wahl und ihre Wiederholung unter demokratischen Bedingungen.

Erschienen am 4. Dezember 2009 in der Wochenzeitung UZ – Unsere Zeit