Wahlen in Andalusien: Neue Rechte

Die Legende lautet: In Spanien hätten sich »Rechtspopulisten« lange nicht durchsetzen können, doch mit dem Erfolg von »Vox« bei den Regionalwahlen in Andalusien sei nun der »europaweite« Trend auch über die Pyrenäen geschwappt.

Schon die Grundannahme ist falsch. Neue ultrarechte Parteien konnten in Spanien bis vor wenigen Monaten nicht reüssieren, weil die Rechte regierte. Die Volkspartei (PP) des im vergangenen Juni abgelösten spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ist die direkte Nachfolgeorganisation des Franco-Regimes. Ihre Vorgängerorganisation »Volksallianz« (AP) war 1976, wenige Monate nach dem Tod des Diktators, durch Minister und andere hohe Funktionäre des Staates gegründet worden, um die ideologischen Werte des spanischen Faschismus unter demokratischer Fassade in die »neue Zeit« hinüberzuretten.

Das funktionierte lange gut, alt- und neofaschistische Gruppierungen konnten sich bei Wahlen nicht durchsetzen. Sie wurden einfach nicht gebraucht. Die PP repräsentierte das gesamte politische Spektrum von der »Mitte« bis nach rechts außen, während die sozialdemokratische PSOE die andere Hälfte dominierte – das Wahlrecht sicherte die Stabilität dieses Zweiparteiensystems, trotz der Präsenz der »Vereinten Linken« (IU) und diverser Regionalparteien.

Inzwischen ist dieses traditionelle System jedoch brüchig geworden. Das Aufkommen von »Podemos« auf der linken und den »Ciudadanos« auf der rechten Seite hat die beiden bislang dominierenden Parteien in den vergangenen Jahren unter Druck gesetzt. Die durch unzählige Korruptionsskandale zerrüttete PP hat zudem mit dem Verlust der Regierungsgewalt im Sommer einen Großteil ihres Nutzwertes eingebüßt. Die Rechten fürchteten deshalb die konkrete »Gefahr«, dass ein mehr oder weniger fortschrittliches Bündnis aus PSOE und IU mit baskischen und katalanischen Parteien einen anderen Kurs einschlagen könnte. Auf die als »liberale« Partei angetretenen »Ciudadanos« wollte man sich lieber nicht verlassen.

Sicher nicht zufällig wurde deshalb in den vergangenen Monaten die bisher unbedeutende »Vox« hochgeschrieben und -gesendet, ganz so, wie dies in Deutschland mit der AfD passiert ist. Bei den Parlamentswahlen 2016 war diese Partei auf gesamtspanischer Ebene bei gerade einmal 0,2 Prozent der Stimmen gelandet – trotzdem wurden ihre Kundgebungen ausführlich in den Fernsehnachrichten und Leitartikeln behandelt, während Veranstaltungen und Kampagnen der Linken ausgeblendet wurden. Der von der PP angeheizte spanische Nationalismus angesichts der Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien war weiteres Wasser auf die Mühlen der äußersten Rechten.

Die Kampagne funktionierte. Am Sonntag erreichte »Vox« in Andalusien knapp elf Prozent. Eine Dreiparteienkoalition aus PP, »Vox« und »Ciudadanos« hätte die absolute Mehrheit im Regionalparlament. Und an der PP würde ein solches Bündnis nicht scheitern.

Erschienen am 4. Dezember 2018 in der Tageszeitung junge Welt