Währungsexperte des Tages: Recep Tayyip Erdogan

In seinem nationalen Kampf gegen düstere fremde Interessen greift der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Landsleuten unter Matratzen und Kopfkissen. Wer da noch US-Dollars, Euros oder Gold versteckt habe, solle diese doch bitte in die türkische Lira umtauschen, forderte er am Freitag bei einer Kundgebung in der Schwarzmeerstadt Rize seine Untergebenen zur patriotischen Tat auf. So will der Staatschef den anhaltenden Wertverlust der Lira aufhalten. »Sie mögen ihre Dollar haben, doch wir haben unser Volk, unser Recht und unseren Gott«, verkündete Erdogan. Prompt rutschte die Lira weiter ab und landete letztlich bei 6,37 für einen Dollar. Seit Jahresbeginn hat die türkische Währung fast die Hälfte ihres Wertes verloren.

Als Laie mag man ja denken, dass so ein Appell etwas merkwürdig ist – eine Währung verliert doch im Prinzip gerade deshalb an Wert, weil Leute sie verkaufen. Und diese »Leute« sind heutzutage gerne mal Spekulanten, die Millionen und Milliarden hin- und herschieben (und diese selten im Bett bunkern). Wenn man an der ökonomischen Genialität des Sultans zweifeln würde, könnte man seinen Appell also auch als hilflose Bettelei interpretieren. Aber das käme natürlich nur einem westlich-dekadenten Atheisten in den Sinn.

Oder aber dem mächtigsten Donald des Planeten. Ankara und Washington zanken sich um einen in der Türkei inhaftierten Prediger. Erdogan würde den gerne freilassen, aber nur im Tausch gegen seinen Lieblingsschurken, den Prediger Fethullah Gülen. Doch der genießt noch immer den Schutz der USA. Am Freitag nachmittag verkündete der US-Präsident standesgemäß auf Twitter eine Verdoppelung der Zölle auf Stahl- und Aluminiumlieferungen aus der Türkei. Stahl wird nun mit 50 Prozent, Alumium mit 20 Prozent besteuert. Die für jemanden wie Trump natürlich ausreichende Begründung: »Unsere Beziehungen zur Türkei sind derzeit nicht gut!«

Erschienen am 11. August 2018 in der Tageszeitung junge Welt