Votum gegen Madrid

Kataloniens Unabhängigkeitsbewegung hat die von der spanischen Zentralregierung erzwungenen Regionalwahlen am Donnerstag klar gewonnen und ihre absolute Mehrheit im Parlament verteidigt. Bei einer auf fast 82 Prozent gestiegenen Wahlbeteiligung konnten die »separatistischen« Parteien ihre Stimmenzahl auf mehr als zwei Millionen erhöhen. Stärkste Kraft in diesem Lager wurde die Liste des von Madrid abgesetzten Ministerpräsidenten Carles Puigdemont, »Junts per Catalunya« (Gemeinsam für Katalonien), mit 21,65 Prozent und 34 Mandaten. Knapp dahinter folgt die ERC (Republikanische Linke Kataloniens) mit 21,39 Prozent und 32 Sitzen. 2015 hatten diese Parteien gemeinsam kandidiert und so 39,59 Prozent der Stimmen bzw. 62 Mandate erreicht.

Für die 68 Sitze, die für eine Mehrheit im Parlament nötig sind, brauchen beide Parteien auch diesmal die Unterstützung der antikapitalistischen CUP (Kandidatur der Volkseinheit). Diese rutschte von 8,21 auf 4,45 Prozent der Stimmen ab und wird in der Legislative künftig mit vier statt mit zehn Abgeordneten vertreten sein. »Diese vier Sitze sind Gold wert, weil wir weiter die entscheidende Rolle spielen«, wollte ihr Spitzenkandidat Carles Riera nicht von einer Niederlage sprechen. Tatsächlich ist die CUP auf ihr Ergebnis von 2012 zurechtgestutzt worden. Die letzte Wahl 2015 hatten die »separatistischen« Parteien zu einem »Plebiszit« über die Unabhängigkeit erklärt, und viele ihrer Unterstützer wollten damals durch eine starke CUP faule Kompromisse der bürgerlichen Parteien verhindern. Diesmal stand der Protest gegen die Zwangsverwaltung Kataloniens durch Madrid im Mittelpunkt, und viele Wähler folgten dem Aufruf, der von Spanien abgesetzten Regierung das Vertrauen auszusprechen.

Zählt man zu den »separatistischen« Stimmen die Wähler des Linksbündnisses »Catalunya en Comú – Podem« (Katalonien gemeinsam – Wir können) hinzu, haben 55 Prozent der Wähler gegen die Aufhebung der katalanischen Autonomie votiert. Die »Comuns«, die sich auch gegen eine Abspaltung Kataloniens wenden, wurden allerdings für ihr Schwanken zwischen beiden Lagern abgestraft. Mit 7,45 Prozent und acht Sitzen blieben sie noch hinter ihrem schwachen Ergebnis von 2015 zurück, als sie fast neun Prozent und elf Mandate erreichen konnten.

Der große Verlierer der Wahl ist jedoch das prospanische Lager, das gehofft hatte, endlich die Dominanz der Unabhängigkeitsbewegung brechen zu können. Zwar wurden die rechtsliberalen »Ciutadans« (Bürger) mit 25,37 Prozent und 37 Sitzen stärkste Fraktion, doch aufgrund der Schwäche ihrer möglichen Bündnispartner muss Spitzenkandidatin Inés Arrimadas die Hoffnung aufgeben, Regierungschefin Kataloniens zu werden. Ein Fiasko wurde der Wahltag vor allem für die PP (Volkspartei) des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Sie verlor fast die Hälfte ihrer Stimmen und stellt im Parlament mit drei Abgeordneten künftig die kleinste Gruppe.

Erschienen am 23. Dezember 2017 in der Tageszeitung junge Welt