Versöhnung gefährdet

Angeführt vom früheren Staatspräsidenten Manuel Zelaya haben Hunderte Aktivisten der Widerstandsbewegung in Honduras am Montag (Ortszeit) gegen die Verletzung des im Mai unterzeichneten Versöhnungsabkommens demonstriert. In dem »Vertrag von Cartagena«, der durch die Vermittlungsbemühungen des kolumbianischen Staatschefs Juan Manuel Santos und seines venezolanischen Amtskollegen Hugo Chávez zustande gekommen war, ist unter anderem festgelegt, daß Mitglieder des früheren Regierungskabinetts von Manuel Zelaya nicht mehr verfolgt werden. Im Vertrauen auf diesen Passus war auch der frühere Regierungsminister Enrique Flores Lanza am 28. Mai gemeinsam mit Zelaya nach Honduras zurückgekehrt. Am 15. Juni stellte er sich freiwillig den Behörden, um die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften und entsprechend der zwischen Zelaya und dem gegenwärtigen Staatschef Porfirio Lobo getroffenen Vereinbarungen eine Aufhebung der gegen ihn erlassenen Haftbefehle zu erreichen. Statt dessen verhängte der Richter Claudio Aguilar Hausarrest gegen Flores und verlangte innerhalb von 30 Tagen die Hinterlegung einer Kaution in Höhe von 27 Millionen Lempiras (knapp eine Million Euro), ansonsten werde der frühere Minister in Untersuchungshaft genommen.

Nach Angaben der Widerstandsbewegung wirft das Regime Flores die Veruntreuung von Staatsgeldern vor. Gemeint sind damit jedoch offenbar die Ausgaben für die Vorbereitung der am 28. Juni 2009 geplanten Volksbefragung über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung. Diese hatte den Putschisten am selben Tag als Vorwand für ihren Staatsstreich gedient. Während die Militärs und ihnen nahestehende Politiker damals argumentierten, ihre Aktion habe einen »Verfassungsbruch« durch Zelaya verhindert, sieht das jetzt geschlossene Versöhnungsabkommen die Möglichkeit vor, eine solche Volksabstimmung doch noch durchführen und auf diesem Weg auch eine verfassunggebende Versammlung einberufen zu können.

Durch das Vorgehen der Justiz gegen Flores sieht die Opposition nun jedoch das gesamte Abkommen in Gefahr. »In Honduras werden die Protagonisten des Staatsstreichs privilegiert und beschützt, während die Mitglieder der Nationalen Volkswiderstandsfront (FNRP) verfolgt werden«, kritisierte deren Führungsmitglied Juan Barahona gegenüber der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina.

Unterdessen haben am Montag fünf Lehrer angekündigt, ihren seit über 40 Tagen durchgeführten Hungerstreik abzubrechen. Die Pädagogen hatten den Protest Anfang Mai begonnen, um gegen die Suspendierung von 305 Lehrern durch das Regime zu protestieren. Das Kabinett von Porfirio Lobo hatte ihnen für ein halbes Jahr die Ausübung ihres Berufs untersagt, weil sie sich an Streiks und Protestaktionen gegen den Putsch und die Maßnahmen des Regimes beteiligt hatten. Außerdem forderten die Hungerstreikenden die Auszahlung ausstehender Gehälter für mehr als 6000 ihrer Kollegen sowie die Überweisung der staatlichen Anteile für ihre Renten- und Krankenversicherung. »Wir haben die Ziele, für die wir diesen Kampf aufgenommen haben, nicht erreicht«, räumte Yanina Parada ein, die sich an der Aktion beteiligt hatte. Zwar habe das Regime einige der verhängten Strafen verkürzt, aber das Dekret nicht komplett aufgehoben. Sie werde den Kampf deshalb gemeinsam mit ihren Kollegen in anderer Weise fortsetzen, »denn hier geht es um unsere Würde«, kündigte Parada an.

Erschienen am 22. Juni 2011 in der Tageszeitung junge Welt