junge Welt, 5. Februar 2019

Hände weg von Venezuela!

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat am Montag per Pressemitteilung die Regierung Venezuelas ausgewechselt. »Für Deutschland ist Juan Guaidó im Einklang mit der venezolanischen Verfassung Übergangspräsident, um freie, faire und demokratische Präsidentschaftswahlen zu organisieren«, teilte er am Vormittag per Presseerklärung mit. Die Bundesregierung werde fünf Millionen Euro für »humanitäre Hilfe« zur Verfügung stellen, »sobald die politischen Rahmenbedingungen in Venezuela dies zulassen«.

Auch die Regierungen Spaniens, Frankreichs, Großbritanniens, Österreichs, der Niederlande, Schwedens, Dänemarks, Portugals und Tschechiens teilten mit, dass sie nun Guaidó, der sich am 23. Januar bei einer Kundgebung in Caracas selbst zum »Übergangspräsidenten« ernannt hatte, als Staatschef Venezuelas betrachten. Sie stützen sich dabei auf Artikel 233 der venezolanischen Verfassung, in dem festgelegt wird, was bei einer Vakanz des Präsidentenamtes zu geschehen hat. Diese sei gegeben, weil die Präsidentschaftswahl im Mai 2018 nicht legitim gewesen sei.

Das sieht der Bundestagsabgeordnete Michel Brandt (Die Linke) anders. Er hatte auf Einladung der venezolanischen Wahlbehörde CNE die Abstimmung begleitet. »Ich konnte am Tag der Präsidentschaftswahlen in Venezuela im Mai 2018 keine Manipulationen oder Mängel feststellen«, sagte er junge Welt. »Anhaltspunkte, die eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen in Frage gestellt hätten, konnte ich nicht finden. 112 Länder haben die Wahl anerkannt und somit Maduro als demokratisch gewählten Präsidenten bestätigt. Man muss Maduro oder seine Politik nicht mögen, um den gegen ihn verübten Putsch zu verurteilen.«

Italien, Griechenland, die Slowakei und andere europäische Staaten betrachten weiterhin Nicolás Maduro als Präsidenten Venezuelas, ebenso China, Indien, Mexiko etc. Die russische Regierung kritisierte die »direkte und indirekte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas«. Regierungssprecher Dmitri Peskow betonte am Montag in Moskau, nur die Venezolaner selbst könnten diese Krise lösen. Für Donnerstag ist in Montevideo eine internationale Konferenz angekündigt, bei der auf Initiative Mexikos und Uruguays über Wege zur Entspannung der Lage beraten werden soll.

Maduro selbst rief am Montag die »unabhängigen Regierungen der Welt« auf, die Drohungen von US-Präsident Donald Trump zurückzuweisen. Der hatte am Sonntag in einem Fernsehinterview eine militärische Intervention in dem südamerikanischen Land nicht ausschließen wollen. Bei einer Demonstration in Maracay warnte Maduro, dass sich »kriegerischer Wahnsinn« des Weißen Hauses bemächtigt habe.

In Venezuela ist die Stimmung derweil angespannt. Im ganzen Land kursierten am Wochenende Gerüchte und Falschmeldungen über eine unmittelbar bevorstehende Intervention ausländischer Truppen. Anhänger Guaidós verbreiteten Nachrichten, wonach die in der kolumbianischen Stadt Cúcuta gelagerte »humanitäre Hilfe« über die Grenze gebracht werde. In diesen Meldungen hieß es, dass die USA bei einem Stopp der Konvois durch die venezolanische Armee »chirurgische Militärschläge« gegen Einrichtungen der Regierung planten.

Passiert ist bislang nichts. Am frühen Montag morgen um vier Uhr berichtete der Regierungsfunktionär Freddy Bernal, der im Auftrag von Präsident Maduro die Lage an Venezuelas Westgrenze überwacht, dass in dem nahe Kolumbien gelegenen Bundesstaat Táchira völlige Ruhe und Normalität herrsche. »Es gibt viel Anspannung, weil Donald Trump die Bolivarische Regierung stürzen und nicht nur Venezuela, sondern die ganze Region destabilisieren will. Die Bolivarischen Streitkräfte sind an allen Grenzposten aufmarschiert«, erklärte er.

Eine Intervention wird jüngsten Umfragen zufolge von mehr als 80 Prozent der Menschen in Venezuela abgelehnt. Die sehr regierungskritisch eingestellte Menschenrechtsorganisation Provea forderte am Sonntag abend (Ortszeit), dass jede Aktion der »internationalen Gemeinschaft« zur Unterstützung des venezolanischen Volkes dem Völkerrecht entsprechen müsse: »Wir verurteilen Wirtschaftssanktionen, die die Krise verschärfen.«

Erschienen am 5. Februar 2019 in der Tageszeitung junge Welt