Venezuela trauert

Bei einer Explosion und einem anschließenden Großbrand in der größten Erdölraffinerie Venezuelas sind am Sonnabend in Amuay im Nordwesten des Landes offiziellen Angaben zufolge 39 Menschen ums Leben gekommen. Ursache der Katastrophe soll Angaben von Erdölminister Rafael Ramírez zufolge ein Gasleck gewesen sein, das die Explosion ausgelöst habe. Daraufhin habe sich ein Feuer ausgebreitet, das auch nahe liegende Unterkünfte der Beschäftigten und Sicherheitskräfte erreicht habe. Die meisten Todesopfer seien Angehörige der Nationalgarde, die für den Schutz der Anlagen eingesetzt worden seien, sowie deren Angehörige, die sich in den Wohnhäusern aufgehalten hätten.

Die venezolanische Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen zu den Ursachen der Tragödie aufgenommen und Spezialisten an die Unglücksstätte entsandt. Hochrangige Vertreter der Regierung eilten an den Ort des Geschehens, während Präsident Hugo Chávez eine dreitägige Staatstrauer anordnete.

Ohne die Untersuchungen abzuwarten, machten Oppositionspolitiker mangelnde Sicherheitsvorkehrungen für die Katastrophe verantwortlich und sprachen von »kubanischer Unfähigkeit«. Ihr Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles Radonski setzte noch am Tag der Tragödie seinen Wahlkampf fort und attackierte über Twitter die Regierung und ihre Sofortmaßnahmen: »Wir wissen sehr gut, wie diese Regierung und ihr Kandidat bei Notfällen helfen: Sie kommen, lassen ein Foto machen, treten im Fernsehen auf und verschwinden. Noch fehlen 44 Tage, bis wir eine gewählte Regierung haben, die für die Bewältigung der Probleme und Notfälle arbeitet.« Der Chef der Anlage, Jesús Luongo, wies solche Vorwürfe umgehend zurück. Allein in den vergangenen drei Jahren seien mehr als sechs Milliarden US-Dollar in die Instandhaltung der Raffinerie investiert worden. »Wir haben ein sehr striktes Programm zur Wartung der Anlagen. Außerdem wird das Werk regelmäßig außer Betrieb genommen, um es instandzuhalten und zu überprüfen«, erklärte er am Sonnabend.

In Venezuela wird unterdessen auch über einen möglichen Anschlag spekuliert, durch den das Land im Vorfeld der Präsidentschaftswahl destabilisiert und die Regierung geschwächt werden solle. »Es wäre nicht das erste Mal, daß es vor Wahlen zu Sabotage gegen den Staat kommt«, erklärte etwa die Publizistin Eva Golinger über den Internetdienst Twitter. Das Internetportal La Iguana wies darauf hin, daß ein ebenfalls am Sonnabend erfolgter Hackerangriff auf mehrere Internetpräsenzen staatlicher Institutionen praktisch zeitgleich zur Explosion in Amuay verübt worden sei. Dabei war unter anderem die Homepage der Devisenkontrollbehörde CADIVI gehackt und durch eine schwarze, der Nationalflagge Saudi-Arabiens nachempfundene Grafik mit dem islamischen Glaubensbekenntnis in arabischen Schriftzeichen ersetzt worden. Die Hintergründe dieser Attacke waren zunächst unklar.

Erschienen am 27. August 2012 in der Tageszeitung junge Welt