»Venezuela ist Referenzpunkt geworden«

Gespräch mit David Velásquez, Vizeaußenminister der Bolivarischen Repubik Venezuela

Am Mittwoch hat in Caracas eine Beratung der Vereinten Nationen über die Rechte des palästinensischen Volkes begonnen. Welche Bedeutung hat diese Sitzung?

Es handelt sich um eine offizielle Sitzung des Ausschusses für die Ausübung der unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes (UNISPAL), einem offiziellen Komitee der Vereinten Nationen. Dieser Ausschuß wird in Caracas diskutieren, welche Auswirkungen der im vergangene Jahr von der UN-Vollversammlung verabschiedete Beschluß gehabt hat, Palästina den Status eines Beobachterstaates zu gewähren. Als positiv ist dabei die Zunahme der bilateralen Beziehungen und Kontakte der Welt mit dem Staat Palästina zu bewerten. Andererseits haben die USA und Israel die wirtschaftliche Blockade und die Repression gegen Palästina verschärft. So hat der israelische Staat über Monate hinweg die der palästinensischen Regierung zustehenden Steuereinnahmen zurückgehalten. Das war eine klare Strafmaßnahme gegen das palästinensische Volk, weil dieses die Entscheidung getroffen hat, bei der UNO den Antrag auf Anerkennung zu stellen. Auch die Politik des illegalen Siedlungsbaus auf palästinensischem Gebiet ist ausgeweitet worden.

 

Wenige Tage nach der Anerkennung durch die UNO haben Palästina und Venezuela mehrere Abkommen unterzeichnet. Das war eine Zeremonie der Anerkennung des Rechts Palästinas auf seine Existenz und Würde.

Der UNISPAL besteht aus 24 Staaten als Vollmitgliedern und 25 Beobachtern, und praktisch alle werden an den Beratungen in Caracas teilnehmen. Zudem wurden die Vertreter internationaler, multilateraler Organisationen eingeladen, die ebenfalls hier in Caracas sein werden.

Die Durchführung einer solchen Sitzung in diesen Tagen hat vor dem Hintergrund der zugespitzten politischen Situation in Venezuela eine besondere Bedeutung…

Diese besondere Bedeutung geht zurück auf die internationale Führungsrolle des Comandante Hugo Chávez und der Bolivarischen Revolution. Diese haben es ermöglicht, daß internationale Organisationen unser Land als Tagungsort auswählen, sogar bevor sie offiziell das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag kennen. Bereits am Montag abend trafen in Caracas Mitarbeiter des UN-Generalsekretariats ein, die Teil des Ausschusses sind. Diese offizielle Sitzung ist somit ebenso eine Anerkennung Venezuelas wie die zahlreichen Glückwunschschreiben an Präsident Nicolás Maduro aus aller Welt, angefangen bei China und Vietnam über Südafrika und viele andere Länder.

Exakt elf Jahre nach dem faschistischen Putsch gegen Hugo Chávez erleben wir aber in Venezuela eine ähnliche Situation wie damals. Wir haben die Gewalt und die Straßenaktionen einer fanatisierten Rechten erlebt, die Ausländerfeindlichkeit und politische Intoleranz, die Aggressionen auf Bürger anderer Staaten, auf Einrichtungen der PSUV oder des CNE. Ziel dieser Ausschreitungen war es, eine innere Krise zu provozieren, in der Venezolaner gegen Venezolaner vorgehen, und so Bedingungen für eine ausländische Intervention oder andersartige Einmischung zu schaffen. Diese Strategie ist vom venezolanischen Volk vereitelt worden, das geduldig und ohne sich provozieren zu lassen, auf diese Aktionen reagiert hat, die das Leben von sieben Landsleuten gekostet haben.

Ebenso wie während des Putsches vor elf Jahren spielen Spanien, Deutschland und die Europäische Union in dieser Situation eine fragwürdige Rolle und haben eine Anerkennung des Wahlsieges von Nicolás Maduro hinausgezögert. Wie schätzen Sie dies ein?

Wir kennen dieses doppelte Gesicht der internationalen Rechten bereits. Die proimperialistischen Kräfte attackieren seit langem die Bolivarische Revolution, weil diese zu einem weltweiten Referenzpunkt für die linken und fortschrittlichen Kräfte geworden ist. Spanien hat inzwischen eine Erklärung abgegeben, in der Nicolás Maduro gratuliert wird, aber die USA beispielsweise verharren noch immer ohne eine offizielle Stellungnahme und unterstützen offen die Forderung des Exkandidaten Capriles und der Rechten nach einer »Neuauszählung« der Stimmen. Dabei ist die übliche Kontrolle von 54 Prozent der Akten bereits durchgeführt worden, und diese Überprüfung hat keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Dieses Ergebnis ist von allen Zeugen der Opposition mit ihrer Unterschrift bestätigt worden.

Erschienen am 18. April 2013 in der Tageszeitung junge Welt