Upgrade für Folterlager

Niemand spricht mehr von Guantánamo. Nachdem insbesondere das unter dem damaligen Machthaber George W. Bush auf dem von den USA widerrechtlich besetzten Gebiet Kubas installierte Gefangenenlager jahrelang Gegenstand heftiger Debatten war, spielt es im beginnenden US-Wahlkampf praktisch keine Rolle mehr. »Die Kandidaten für 2020 ignorieren Guantánamo«, kritisierte am Dienstag bereits das linksliberale Internetportal Truthout. Lediglich Pete Buttigieg, der frühere Bürgermeister von South Bend in Indiana, habe sich am 12. Juli für die Schließung des als Folterstätte berüchtigten Lagers ausgesprochen. Auch bei den Fernsehdebatten der zwei Dutzend Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei blieb Guantánamo bislang außen vor.

Währenddessen demonstriert die Administration von Amtsinhaber Donald Trump, dass sie nicht nur keine Schließung der Marinebasis und des Gefangenenlagers will, sondern sogar auf eine Modernisierung setzt. Davon profitiert Siemens. Wie das US-Verteidigungsministerium in der vergangenen Woche mitteilte, hat man dem deutschen Konzern einen 829 Millionen Dollar schweren Auftrag für Aufbau und Wartung einer effizienteren Energieversorgung des Stützpunkts erteilt. Der Vertrag laufe bis April 2043. Beim Manager Magazin kam diese Nachricht am letzten Freitag ganz harmlos daher: »Siemens baut neue Klimaanlage für Guantánamo Bay«. Doch es geht auch um das Folterlager. Die Washington Times zitierte am Dienstag (Ortszeit) einen namentlich nicht genannten Marineoffizier mit der Bestätigung, dass der Auftrag für Siemens auch das »Detention Center« umfasst. Die »Haftanstalt« sei Teil der Marinebasis und werde deshalb auch von den »Upgrades« der Energieversorgung profitieren. Was genau geplant ist und wie viele Mittel in das Gefangenenlager fließen sollen, in dem noch einige Dutzend Menschen einsitzen, sagte der Offizier nicht.

Die Bundesregierung hat an dem Siemens-Deal nichts auszusetzen. Wie das Videoportal RT Deutsch am Mittwoch berichtete, wollte sich der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christofer Burger, bei der Bundespressekonferenz nicht zu der völkerrechtlichen Einordnung der US-Marinebasis auf kubanischem Staatsgebiet äußern: »Das müsste ich Ihnen nachliefern. Das habe ich nicht präsent.«

Weniger Nachhilfe braucht Santiago Pérez Benítez. Der Vizedirektor des kubanischen Forschungszentrums für Internationale Politik (CIPI) sagte am Mittwoch im Gespräch mit junge Welt, die US-Besatzung in Guantánamo sei ein Symbol für die Demütigung des kubanischen Volkes durch die USA. Washington beharre auf seiner Kontrolle über das Gebiet, obwohl völlig klar sei, dass weder das Volk noch die Regierung Kubas ausländische Militärbasen in ihrem Land haben wollen. Die Marinebasis sei über die unterschiedlichen Regierungen in Washington hinweg ein Signal an Lateinamerika und die ganze Welt, dass sich die USA nicht an internationale Regeln hielten. »Auch Obama sprach zwar davon, das Konzentrationslager zu schließen, das sie in Guantánamo betreiben, aber auch er wollte die Basis nicht an das Volk Kubas zurückgeben.« Dies werde nun von Trump und der im Weißen Haus regierenden Rechten bekräftigt und sei ein Ausdruck der wiederbelebten Monroe-Doktrin »Amerika den Nordamerikanern«. Mit dem Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen sei das nicht zu vereinbaren.

Erschienen am 1. August 2019 in der Tageszeitung junge Welt