Unter Korruptionsverdacht

Der frühere Oberbürgermeister von Caracas, Juan Barreto, muß am kommenden Mittwoch bei den Justizbehörden Venezuelas erscheinen, um zu Korruptionsvorwürfen Stellung zu nehmen, die gegen ihn erhoben werden. Wie die Staatsanwaltschaft in Caracas am vergangenen Mittwoch mitteilte, wird gegen Barreto seit Ende 2007 wegen Unregelmäßigkeiten während seiner Amtszeit zwischen 2004 und 2008 ermittelt. Konkret nannten die Ermittler ein Projekt zur Luftraumüberwachung über der venezolanischen Hauptstadt sowie den Ankauf großer LED-Bildschirme, mit denen im Zentrum von Caracas Informationen der Stadtregierung verbreitet werden.

Bereits während seiner Amtszeit war Barreto, der lange als enger Vertrauter des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gegolten hatte, auch von den Anhängern der Regierung wegen seiner ineffizienten Amtsführung kritisiert worden. Obwohl Barreto selbst darauf verzichtete, sich um eine Wiederwahl zu bewerben, mußte die Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) bei den Regionalwahlen 2008 in Caracas eine herbe Niederlage einstecken und verlor die Hauptstadt an den Kandidaten der rechten Opposition, Antonio Ledezma.

Nach den öffentlich erhobenen Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft wies Barreto noch am selben Tag bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz alle Vorwürfe zurück. Er selbst habe noch während seiner Amtszeit die in die Unregelmäßigkeiten verwickelten Unternehmen angezeigt und damit die Ermittlungen erst in Gang gebracht: »Wie kann ich da der Angeklagte sein?« Er habe nichts gestohlen und könne das auch beweisen. Barreto kündigte an, bei der Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde gegen das Vorgehen der Justizbehörden einzulegen, denn durch die öffentliche Bekanntmachung seiner Vorladung sei er vorverurteilt worden: »Ich bin nicht der Rosales der Revolution.«

Manuel Rosales, der Vorsitzender der Oppositionspartei »Un Nuevo Tiempo« (UNT) ist, bis Ende 2008 als Gouverneur des Bundesstaates Zulia amtierte und bei den Regionalwahlen zum Bürgermeister von Maracaibo gewählt worden war, hatte sich in der vergangenen Woche nach Peru abgesetzt und dort um politisches Asyl gebeten, nachdem er von der Staatsanwaltschaft wegen ähnlicher Korruptionsermittlungen vorgeladen worden war.

Von Lima aus erhob Rosales schwere Vorwürfe gegen die venezolanische Regierung. »Ein Demokrat ergibt sich einem Diktator nicht, und vor allem nicht, wenn dieser Diktator ein Feigling ist. Darum bin ich hier und wir werden weiterkämpfen«, sagte Rosales, der weiter davon sprach, daß in Venezuela ein »totalitäres Regime« herrsche, das »die Menschenrechte mit Füßen tritt«.

Perus Außenminister José Antonio García Belaúnde warnte daraufhin Rosales, er dürfe Peru nicht als politische Plattform für Angriffe gegen Venezuela mißbrauchen. Die Regierung in Lima werde in etwa zwei Wochen entscheiden, ob sie Rosales politisches Asyl gewähre.

Ein politisches Nachspiel wird die Flucht von Rosales in der Hafenstadt Maracaibo haben, dessen Bürgermeister er formell noch ist. Nach einer länger als 90 Tage dauernden Abwesenheit des Bürgermeisters können der Stadtrat oder der Oberste Gerichtshof Neuwahlen in der Hauptstadt von Zulia ansetzen. Am Freitag wurde außerdem bekannt, daß auch gegen den früheren Gouverneur des Bundesstaates Guárico, Eduardo Manuitt, Haftbefehl wegen Korruption erlassen wurde.

Erschienen am 25. April 2009 in der Tageszeitung junge Welt