Unter Ausschluss der Betroffenen

Je näher die für den heutigen Dienstag in Lima geplante Konferenz »zur Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela« gerückt ist, desto bescheidener sind die Erwartungen geworden. Anfang Juli hatte Perus Außenminister Néstor Popolizio noch verkündet, dass man »mehr als 100 Nationen« eingeladen habe, unter ihnen »Kuba, China, Russland, Uruguay, Bolivien«. Gäste aus Venezuela wollte man dagegen nicht in der peruanischen Hauptstadt sehen – weder die Repräsentanten der gewählten Regierung Venezuelas noch Vertreter des selbsternannten »Präsidenten« Juan Guaidó wurden eingeladen. »Wir wollen das Treffen nicht polarisieren«, begründete das Popolizio.

Inzwischen sind die Ankündigungen leiser geworden. Beim US-Auslandssender Voice of America (VoA) war am Freitag (Ortszeit) nur noch die Rede davon, dass die »56 Länder, die Guaidó unterstützen«, auf Ministerebene zusammenkommen werden. Doch selbst diese Erwartung scheint überzogen. Zumindest die deutsche Bundesregierung, die Guaidó nach wie vor als »Präsident« des südamerikanischen Landes ansieht, ist in Lima nicht hochrangig vertreten. Wie das Auswärtige Amt auf jW-Anfrage mitteilte, soll der bisherige stellvertretende deutsche Botschafter in Caracas nach Lima reisen.

Die von Popolizio ursprünglich erhoffte Teilnahme von Delegationen aus China, Russland und anderen wichtigen Ländern bleibt ebenfalls aus. Moskau teilte am 31. Juli mit, dass man der Konferenz fernbleiben werde, weil man »ernsthafte Zweifel« an den geplanten Inhalten habe. »Vor allem sind wir nicht davon überzeugt, dass ein Schwerpunkt richtig sein kann, der ›Probleme der Demokratie‹ in Venezuela ohne die von der Regierung Nicolás Maduro und andere politische Kräfte repräsentierten Venezolaner behandeln soll«, heißt es in der auf der Homepage des russischen Außenministeriums veröffentlichten Erklärung. Auch andere Länder haben ihre Teilnahme abgesagt. »Weder die Russen noch die Kubaner noch die Türken werden bei dem Treffen dabei sein«, zitierte die VoA einen namentlich nicht genannten Funktionär des State Department.

So ist absehbar, dass die Veranstaltung zu einer Show werden wird, in deren Mittelpunkt US-Sicherheitsberater John Bolton steht. Seine Teilnahme wurde von Washington ebenso bestätigt wie die von US-Handelsminister Wilbur Ross. Zudem wird mit der Anwesenheit des Venezuela-Sonderbeauftragten von US-Präsident Donald Trump, Elliott Abrams, gerechnet. Die Delegation werde »die vollständigen Pläne der USA in Venezuela« vorstellen, heißt es bei der VoA. Trump habe den Kurs seiner Politik klargemacht, als er kürzlich von einer Blockade Venezuelas gesprochen habe. Diese werde nicht nur die Bolivarische Republik treffen, sondern auch Kuba, zitiert der Auslandssender den Beamten weiter. Trump hatte am Donnerstag auf Nachfrage eines Journalisten bestätigt, dass er eine »Blockade oder Quarantäne« Venezuelas erwäge. De facto besteht eine solche allerdings bereits, auch wenn die Zwangsmaßnahmen Washingtons formell meist gegen einzelne Funktionäre der Regierung und des Staatsapparats Venezuelas gerichtet sind. So wurden die Guthaben des venezolanischen Ölkonzerns PDVSA und dessen Tochterunternehmen Citgo in den USA von den Behörden beschlagnahmt. Auch grenzüberschreitende Geldtransfers sind Venezuela wegen der Dominanz Washingtons im internationalen Finanzsystem kaum noch möglich, so dass unter anderem Lebensmittelimporte und der Erwerb von Medikamenten erschwert werden.

In Peru ist die bevorstehende Konferenz kaum ein Thema, die öffentliche Debatte wird von der Innenpolitik bestimmt. Präsident Martín Vizcarra hat am vergangenen Mittwoch den Entwurf für eine Verfassungsänderung vorgelegt, die vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr ermöglichen soll. Regulär würde der Kongress erst 2021 neu gewählt. Damit zog der Staatschef die Konsequenz aus einer nicht abreißenden Serie von Korruptionsskandalen – und traf den Nerv seiner Landsleute. Einer am Montag in der Tageszeitung El Comercio veröffentlichten Umfrage zufolge unterstützen 75 Prozent der Befragten Vizcarras Initiative, 77 Prozent wollen bei dem notwendigen Referendum für die Auflösung des Kongresses votieren.

Erschienen am 6. August 2019 in der Tageszeitung junge Welt