Terror in Venezuela

Es war reines Glück, dass am Dienstag in Caracas im brennenden Gebäude der Kommunistischen Jugend Venezuelas keine Menschen ums Leben gekommen sind. Wer ein Haus, in dem sich Menschen befinden, angreift und in Brand setzt, nimmt deren Tod in Kauf. Und es ist wohl keine gewagte Spekulation, die Attentäter unter den frustrierten Anhängern einer rechten Opposition zu suchen, deren bisherige Strategie zum Sturz der demokratisch gewählten Regierung von Präsident Nicolás Maduro keinen Erfolg hatte. Obwohl die sich legal gebende Opposition triumphierend auf Umfrageergebnisse hinweist, die für Staatschef Nicolás Maduro nur noch Zustimmungswerte von gut 30 Prozent ausweisen (und dabei verschweigt, dass ihre eigenen Repräsentanten in derselben Studie von der Mehrheit ebenfalls abgelehnt werden), sitzt das Kabinett in Caracas fester im Sattel als noch vor wenigen Monaten. Dazu haben zuletzt auch außenpolitische Erfolge wie die Wahl Venezuelas in den UN-Sicherheitsrat beigetragen, wenngleich die wirtschaftliche Lage zum Beispiel aufgrund der sinkenden Erdölpreise weiterhin schwierig ist.

 

Nachdem die gewaltsamen Straßenproteste keinen Erfolg gehabt haben, wollen radikale Teile der venezolanischen Opposition nun offenbar durch gezielte Anschläge auf Repräsentanten des Regierungslagers und Unterstützer des revolutionären Prozesses die Lage destabilisieren und dadurch einem Sturz der Regierung näher kommen. Darauf deutet der Angriff auf die Kommunistische Jugend ebenso hin wie die Ermordung des sozialistischen Parlamentsabgeordneten Robert Serra am 1. Oktober. In anderen Teilen Venezuelas, vor allem im an Kolumbien grenzenden Westen, werden schon seit Jahren immer wieder Morde an Bauernführern, Gewerkschaftern und Politikern verübt, die nur in seltenen Fällen aufgeklärt werden. Dass sich diese Terrorstrategie inzwischen auf die Hauptstadt ausgedehnt hat, ist ein weiteres Alarmsignal, nachdem es schon vor mehreren Jahren Berichte über das Einsickern paramilitärischer Banden in Caracas gegeben hatte.

Welche Ziele die Attentäter auswählen, ist kein Zufall. Erst traf es den jüngsten Parlamentsabgeordneten Venezuelas, nun einen der aktivsten linken Jugendverbände des Landes. Die Angriffe richten sich so direkt gegen die Zukunft der Bolivarischen Revolution, der nach anderthalb Jahrzehnten Regierungszeit ein Generationenwechsel bevorsteht. Dafür spricht auch: Mit den Anschlägen werden vor allem Persönlichkeiten und Organisationen ins Visier genommen, die offensiv gegen die Kampagnen der Rechten auftreten – und nicht etwa müde gewordene Funktionäre.

Ein weiteres Motiv dieses Vorgehens ist der Versuch, Vergeltungsmaßnahmen zu provozieren. Die würden dann – im Gegensatz zu den jetzigen Verbrechen – mit Sicherheit von der internationalen Konzernpresse aufgebauscht und als Beweis für den »autoritären Charakter« der venezolanischen Regierung angeführt. Es wäre nicht das erste Mal.

Erschienen am 23. Oktober 2014 in der Tageszeitung junge Welt