Tag des Widerstandes

Mehr als 25000 Angehörige der indigenen Gemeinden sind am Montag in Kolum­bien auf die Straße gegangen, um gegen die Verletzung ihrer Rechte zu protestieren und Respekt für die kulturellen Traditionen ihrer Völker einzufordern. Die Demonstrationen sollen bis zum Wochenende fortgesetzt werden und zielen auf eine »Befreiung der Mutter Erde« von der kapitalistischen Ausplünderung und ein Ende des Krieges in Kolumbien, bei dem die indigenen Völker immer wieder zwischen die Fronten geraten. Diesem Ziel soll auch ein Dialog zwischen den Indigenen und der Guerilla dienen, wie der Präsident der Nationalen Indígena-Organisation ONIC, Luis Andrade, ankündigte. Seine Organisation habe den »Revolutionären Streitkräften Kolumbiens« (FARC) Gespräche unter internationaler Aufsicht angeboten, so Andrade.

Auch in zahlreichen anderen Ländern des Kontinents gingen Tausende Indígenas auf die Straße. So demonstrierten in Santiago de Chile mehr als 7500 Mapuche, die sich den offiziellen Feierlichkeiten zu dem im kommenden Jahr anstehenden 200. Jahrestag der Unabhängigkeit Chiles verweigern wollen: »200 Jahre Unterdrückung – Wir haben nichts zu feiern!«

Anlaß für die Proteste war der 517. Jahrestag der Landung von Christoph Kolumbus am 12. Oktober 1492, die als »Entdeckung Amerikas« in die Geschichte einging und bis heute in Spanien und Lateinamerika als Feiertag begangen wird. Bis vor wenigen Jahren herrschte dabei die Sichtweise der spanischen Kolonialherren vor, die den »Tag der Rasse« begingen. Erst in jüngerer Zeit wird versucht, das Datum mit einem neuen Inhalt zu versehen. So wird in Venezuela seit 2002 der 12. Oktober als »Tag des indigenen Widerstandes« begangen, in Chile wurde er im Jahr 2000 offiziell in »Tag der Entdeckung zweier Welten« umbenannt und bereits seit 1994 feiert Costa Rica an diesem Datum den »Tag der Kulturen«.

Unter den in den vergangenen Jahren entstandenen linken Regierungen haben sich die Kampfbedingungen der indigenen Bewegungen geändert. Venezuelas Ministerin für die indigenen Völker, Nicia Maldonado, erinnerte daran, daß vor dem Amtsantritt von Hugo Chávez die Indígenas verloren und ihr Verschwinden ausgemachte Sache gewesen sei. »Der Sozialismus« habe es den Indígenas jedoch erlaubt, sich in die Gesellschaft einzubringen und gleichzeitig alle Bürgerrechte zu genießen, so die selbst aus der Ethnie der Wayúu stammende Ministerin. Auf der anderen Seite sehen sich die Indígenas aber auch durch die Wirtschaftspolitik linker Regierungen bedroht. So kam es in den vergangenen Wochen in Ecuador immer wieder zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und demonstrierenden Indígenas, die gegen die Vergabe von Bergbaukonzessionen in den von ihnen bewohnten Gebieten und gegen eine befürchtete Privatisierung von Wasservorkommen protestierten.

In Spanien, der früheren Kolonialmacht, bleibt der dort offiziell als »Tag der Hispanität« begangene 12. Oktober unappetitlich. So folgten in Barcelona rund 500 Personen dem Aufruf der rechtsextremen Partei »Nationale Demokratie« (DN) und versammelten sich auf dem Berg Montjuïc unter Losungen wie »Spanier zuerst« und Bannern aus Franco-Zeiten. Rund 300 Antifaschisten, größtenteils Angehörige der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, protestierten in sicherer Entfernung. Im baskischen Iruña (Pamplona) schützte die Polizei eine Kundgebung von weniger als einhundert Franco-Anhängern, und auch in Toledo rotteten sich Neonazis der »Nationalen Allianz« (AN) unter Fahnen aus der Franco-Zeit zusammen und zeigten den Hitlergruß.

Erschienen am 14. Oktober 2009 in der Tageszeitung junge Welt