Symbol des Widerstands

Unter dem Motto »Das Leben ist schön« hat Memorial Democràtic am Dienstag abend mit einer Veranstaltung an die Opfer der Nazi-Konzentrationslager erinnert. Memorial Democràtic ist eine offizielle Einrichtung der Generalitat, der politischen Institutionen Kataloniens, die mit der Wahrung der »demokratischen Erinnerung« an die Spanische Republik, den Bürgerkrieg und die Opfer der faschistischen Unterdrückung durch die Franco-Diktatur beauftragt ist.

Mehr als 7.000 spanische Republikaner wurden von den Nazis ab 1940 in Konzentrationslagern inhaftiert. Sie waren meist nach der Niederlage der Spanischen Republik 1939 nach Frankreich geflüchtet und dort ab 1940 den deutschen Besatzern in die Hände gefallen. Weniger als 2.200 von ihnen überlebten die Torturen. Eine dieser Überlebenden und heute die letzte noch verbliebene Zeitzeugin in Spanien ist Neus Català, die am Dienstag ihren 100. Geburtstag feiern konnte. Ihr war die Veranstaltung in ihrem Geburtsort Els Guiamets gewidmet. Sie selbst beging den Ehrentag in einem Altersheim des Dorfs, in das sie vor einigen Jahren heimgekehrt war.

Neus Català wurde am 6. Oktober 1915 als Tochter armer Bauern geboren, durch die sie früh mit kommunistischen Ideen in Berührung kam. So seien in der Hütte ihrer Familie regelmäßig die »Internationale«, die »Riego-Hymne« der Spanischen Republik sowie Kataloniens Landeslied »Els Segadors« gesungen worden, berichtete sie Jahrzehnte später in einem Interview. Es reichte ihr nicht, in ihrem Heimatdorf zu bleiben und zu heiraten, wie es für Mädchen üblich war. Sie verließ den Ort, um sich zur Krankenschwester ausbilden zu lassen.

Als 1936 die Faschisten gegen die Republik putschten, ging Neus Català nach Barcelona und schloss sich der gerade gegründeten Vereinigten Sozialistischen Partei Kataloniens (PSUC) an. Der kommunistischen Bewegung blieb sie bis heute treu. Nach der Niederlage der Republik rettete sie 1939 eine Gruppe von 180 Waisenkindern nach Frankreich. Dort schloss sie sich nach der Invasion durch die Nazis der Resistance an und versteckte in ihrem Haus Waffen, Dokumente und Verfolgte. 1943 wurde sie verhaftet und ein Jahr später in einem Viehwaggon nach Ravensbrück deportiert. Auch im Konzentrationslager leistete sie Widerstand: Als sie gemeinsam mit ihren Leidensgefährtinnen Zwangsarbeit leisten musste, machten sie mehr als zehn Millionen Gewehrkugeln unbrauchbar.

Als die Rote Armee das Lager 1945 befreite, kniete sie nieder und küsste den Boden. Das berichtete sie 1978 in ihrem ersten Interview für einen spanischen Fernsehsender – mehr als drei Jahrzehnte später. Denn 1945 hatte sie nicht nach Hause zurückkehren können. In Spanien herrschte bis zu seinem Tod 1975 Francisco Franco, der inzwischen von den USA und der NATO unterstützt wurde. Von Frankreich aus, wo sie in einem Vorort der Hauptstadt Paris lebte, leitete Català die Opfervereinigung Amical Ravensbrück und beteiligte sich an der Widerstandsbewegung gegen die Diktatur in ihrem Heimatland.

»Ich weiß, dass ich alt bin, aber meine Ideen sind jung«, sagte sie vor einiger Zeit dem katalanischen Fernsehen TV3. Als die »Empörten« 2011 auch in Barcelona auf der Plaça de Catalunya im Zentrum der Stadt ihr Protestcamp errichteten, wollte sich Català am liebsten den jungen Aktivisten anschließen. Ihr Gesundheitszustand ließ das jedoch nicht zu.

Glückwünsche erreichten Neus Català am Dienstag unter anderem vom katalanischen Regierungschef Artur Mas und der Stadtverwaltung Barcelonas. Man ehre damit eine Frau, »die ihren antifaschistischen, demokratischen und auch feministischen Idealen von sozialer Gerechtigkeit treu geblieben ist«, erklärte ein Sprecher von Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau der Nachrichtenagentur EFE. Die Vereinigte und Alternative Linke (EUiA) würdigte ihr Mitglied als unermüdliche Kommunistin und Revolutionärin, als »moralisches Symbol«.

Erschienen am 8. Oktober 2015 in der Tageszeitung junge Welt