Stromversorgung panzern

Am heutigen Dienstag läuft in Venezuela die Frist aus, innerhalb der Kandidaten ihre Bewerbung für die am 22. April stattfindenden Präsidentschaftswahlen anmelden können. Nach Angaben des Nationalen Wahlrats (CNE) hatten sich bis zum Wochenende 18 Parteien für die Abstimmung eingeschrieben, von denen die meisten den amtierenden Staatschef Nicolás Maduro unterstützen dürften. Dieser will seine Kandidatur am Dienstag offiziell anmelden; seine Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) hat dazu aufgerufen, ihn zum CNE zu begleiten. Darío Vivas, der für die Organisation solcher Veranstaltungen zuständig ist, kündigte gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur AVN eine Großkundgebung an: »Caracas wird überlaufen vor Liebe, vor Leidenschaft für das Heimatland, vor Solidarität, vor dem Streben nach Unabhängigkeit, Demokratie und vor Unterstützung für den Präsidenten Maduro.«

Die Kandidatur Maduros wird nicht nur von seiner PSUV getragen, sondern auch von einer Reihe kleinerer Organisationen. So beschloss die Partei »Heimatland für alle« (PPT) in der vergangenen Woche, Maduro als ihren Kandidaten zu nominieren. Auch die linkssozialdemokratischen Podemos und MEP rufen zur Wiederwahl des Präsidenten auf. Als neue Partei präsentiert sich zudem die Bewegung »Wir sind Venezuela« (MSV), die von der Präsidentin der Verfassunggebenden Versammlung, Delcy Rodríguez, geführt wird. Die Kommunistische Partei (PCV) hatte die PSUV zur Unterzeichnung eines gemeinsamen Plans für konkrete Aktionen gegen die Krise in Venezuela aufgefordert. Das Dokument, von dem die Kommunisten ihre Unterstützung für Maduro abhängig gemacht hatten, sollte Informationen aus Caracas zufolge am Montag unterschrieben werden.

Die meisten Rechtsparteien wollen die Wahl am 22. April dagegen boykottieren. Das Oppositionsbündnis MUD (Tisch der demokratischen Einheit) kündigte am vergangenen Mittwoch in Caracas an, man werde der Abstimmung fernbleiben, da sie lediglich eine »Show der Regierung« sei. Statt dessen wolle man in diesem Jahr eine »Kampagne für echte Wahlen« durchführen. Dagegen haben andere Regierungsgegner ihr Antreten angekündigt. Der frühere Gouverneur des Bundesstaates Lara, Henri Falcón, twitterte am vergangenen Mittwoch an die Adresse Maduros: »Nicolás, ich werde dich trotz aller deiner Tricks schlagen!«

Vertreter von Regierung und Opposition hatten bis Anfang Februar wochenlang in der Dominikanischen Republik zusammengesessen und mit internationaler Vermittlung unter anderem über die Details der Wahlen verhandelt. Schließlich verweigerten die Regierungsgegner jedoch die Unterzeichnung des unterschriftsreifen Abkommens. Der frühere spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero, der als Vermittler an den Gesprächen beteiligt war, zeigte sich daraufhin entsetzt. In einem Brief an die Oppositionsvertreter, aus dem die Tageszeitung El Nacional am 7. Februar zitierte, rief er die MUD auf, im Sinne »des Friedens und der Demokratie« den Vertrag doch noch zu unterschreiben.

Am Sonntag machte der Publizist Luis Britto García im privaten Fernsehsender Televen »ausländische Kräfte« für den Wahlboykott der Opposition verantwortlich. »Ich habe den Eindruck, dass Teile dieser Opposition von äußeren Faktoren bestimmt werden, die die Eigenheiten Venezuelas nicht kennen und Befehle erteilen, ohne zu wissen, dass das venezolanische Wahlsystem vertrauenswürdig ist«, sagte er im Gespräch mit dem Journalisten José Vicente Rangel. Er wollte auch nicht ausschließen, dass sich die Rechtskräfte erneut für undemokratische Aktionen hergeben könnten, um einen Regierungswechsel zu erzwingen.

Auf ein solches Szenarium bereiten sich Venezuelas Sicherheitskräfte bereits vor. Am vergangenen Wochenende beteiligten sich insgesamt rund eine Million Menschen an der Verteidigungsübung »Unabhängigkeit 2018«. Neben Soldaten, Polizisten und Milizionären nahmen daran auch Aktivisten sozialer Bewegungen teil, um die Bekämpfung von Sabotageaktionen oder einer ausländischen Intervention zu trainieren. Verteidigungsminister Vladimir Padrino López betonte, dass die Einheit von Zivilbevölkerung und Uniformierten ein Kernelement der Abwehr von Angriffen auf das Land sei. Maduro rief die Truppen dazu auf, insbesondere gegen die um sich greifende Sabotage der Energieversorgung in vielen Städten vorzugehen. Zuletzt war am vergangenen Donnerstag in acht Bundesstaaten für Stunden der Strom ausgefallen, eine Woche zuvor saß Caracas fast einen ganzen Tag im Dunkeln. Am Samstag fiel die Seilbahn auf den Berg Waraira Repano (Monte Ávila) aus, etwa 300 Touristen waren zwei Stunden lang in den Kabinen gefangen. »Wir müssen unser Energiesystem panzern«, forderte Maduro deshalb. »Ab sofort muss die Stromversorgung die zentrale Achse der Verteidigung sein und ihr Schutz verstärkt werden.« An die Beschäftigten des staatlichen Elektrizitätsunternehmens Corpoelec gerichtet rief er die Arbeiter auf, sich an der Verteidigung zu beteiligen: »Es gibt viele Infiltrierte, die Geld vom Imperium erhalten, um unser Volk zu sabotieren. Sie werden es nicht mit unserem Volk aufnehmen können, die Oligarchie wird nicht in unser Land zurückkehren«, so der Staatschef.

Doch die Probleme sind offenbar nicht nur gezielten Angriffe durch Regierungsgegner geschuldet. Hinweise auf interne Missstände sind aber offenkundig unerwünscht. Nachdem der Vorsitzende der Betriebsgewerkschaft Fetraelec, Elio Palacios, Mitte Februar in einem über Whatsapp verbreiteten Statement auf Schlamperei und mangelhafte Wartung bei Corpoelec hingewiesen hatte, wurde er am 14. Februar von Polizisten verhaftet und sitzt seither wegen der »Verbreitung von Gerüchten zur Destabilisierung« in Haft.

Erschienen am 27. Februar 2018 in der Tageszeitung junge Welt