Spur nach Miami

Im Zusammenhang mit dem am vergangenen Sonnabend gegen Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro verübten Anschlag haben die Behörden des südamerikanischen Landes die Auslieferung des in den USA lebenden Geschäftsmanns Osman Delgado Tabosky beantragt. Am Mittwoch (Ortszeit) kamen dazu in Caracas Generalstaatsanwalt Tarek William Saab und Außenminister Jorge Arreaza mit dem Geschäftsträger der US-Botschaft, James Story, zusammen. Dem Diplomaten wurde ein Bericht übergeben, um ihn detailliert über die Vorgänge und die Machenschaften Delgado Taboskys in Kenntnis zu setzen. Story seinerseits zeigte sich über die jüngsten Entwicklungen besorgt und versicherte, die US-Regierung sei zur Zusammenarbeit mit den venezolanischen Behörden bereit, berichtete der Fernsehsender Telesur.

Während einer Militärparade am Sonnabend waren in Caracas zwei mit Sprengstoff beladene Drohnen explodiert, die offenbar auf die Bühne gelenkt werden sollten, auf der Maduro gerade zu den aufmarschierten Soldaten sprach. Der Plan wurde durch Störsender vereitelt, die im direkten Umfeld der Bühne die Funksignale blockierten und auf diese Weise verhinderten, dass die unbemannten Flugkörper gesteuert werden konnten. Eine Drohne explodierte in der Luft über den Soldaten, eine zweite prallte gegen eine Hauswand, stürzte ab und detonierte am Boden. Sieben Angehörige der Nationalgarde wurden verletzt.

Am Dienstag abend (Ortszeit) legte Maduro in einer von allen Rundfunk- und Fernsehsendern des Landes übertragenen Ansprache detaillierte Informationen über den Anschlag vor. Unter anderem wurde eine Tonaufnahme abgespielt, auf der die Kommunikation der mutmaßlichen Attentäter während der Ereignisse zu hören ist. Es gebe auch zahlreiche belastende Fotos und Videos, die auf den Mobiltelefonen der festgenommenen Verdächtigen entdeckt worden seien, so Maduro.

Die schnelle Verhaftung mehrerer Tatbeteiligter lief nach Darstellung des Präsidenten anders ab, als zunächst berichtet worden war. Anwohner hätten vor Beginn der Militärparade verdächtige Personen beobachtet, die eine Drohne aus einem Auto ausgeladen hätten. Als sie dann die Explosionen hörten, hätten zwei Frauen und ein Mann schnell reagiert, die Personen festgehalten und die Polizei alarmiert. Der Fahndungserfolg sei also auf die Wachsamkeit des Volkes zurückzuführen, so Maduro. Zuvor hatte es geheißen, die Sicherheitsdienste hätten die Steuersignale der Drohnen anpeilen können.

Auf einer gut fünfminütigen Videoaufnahme ist der mutmaßliche Anführer der Gruppe, Juan Carlos Monasterio, nach seiner Festnahme zu sehen, das Gesicht allerdings unkenntlich gemacht. Erstaunlich offenherzig sagt er aus, dass die Attentäter über Monate in Kolumbien von Kolumbianern ausgebildet worden seien. Das Trainingscamp habe sich in Chinácota im Departamento Norte de Santander befunden, wo es eine starke Präsenz paramilitärischer Gruppen gibt. Kolumbianische Beamte seien auch beim Grenzübertritt behilflich gewesen, so Monasterio, der bereits wegen seiner Beteiligung an einem bewaffneten Angriff auf den Stützpunkt einer Panzerbrigade in Paramacay im vergangenen Jahr mit Haftbefehl gesucht worden war. Der Mann, der die Operation im Hintergrund finanziert habe, sei Delgado Tabosky gewesen.

Monasterio belastete auch zwei venezolanische Parlamentsabgeordnete. Der Oberste Gerichtshof Venezuelas ordnete daraufhin am Mittwoch die Festnahme des ehemaligen Parlamentspräsidenten Julio Borges, der sich nach Kolumbien abgesetzt hat, sowie des inzwischen inhaftierten Juan Requesens an. Zuvor war deren Immunität aufgehoben worden. Nach Aussagen Monasterios waren beide Parlamentarier für die Kontakte nach Kolumbien verantwortlich.

In den USA brüsten sich derweil bekannte Gegner Maduros mit ihrer indirekten Beteiligung an dem Anschlag. Bereits unmittelbar nach dem fehlgeschlagenen Attentat hatte die Journalistin Patricia Poleo von Miami aus das Bekennerschreiben der mutmaßlichen Täter verlesen. Am Dienstag verkündete dann Jaime Bayly, der von Miami aus eine international verbreitete Fernsehshow moderiert, dass er bereits im Vorfeld von den Anschlagsplanungen erfahren habe. Kontaktpersonen hätten ihm bei einem Treffen in der vergangenen Woche gesagt, dass sie »am Sonnabend Maduro mit Drohnen töten« würden. Er habe sie ermutigt und sogar angeboten, noch eine weitere Drohne zu kaufen.

Erschienen am 10. August 2018 in der Tageszeitung junge Welt