Soldaten statt Lebensmittel

Die Dominikanische Republik schottet sich ab und schickt 600 zusätzliche Soldaten an die Grenze zu Haiti, um die illegale Einreise von Flüchtlingen aus dem bitterarmen Nachbarland zu verhindern. Schätzungen zufolge versuchen jede Woche mehr als 100 Menschen, die Grenze illegal zu überqueren. Besonders in der dominikanischen Grenzstadt Dajabón konzentrieren sich die Flüchtlinge, denn viele Menschen aus Haiti nutzen auch den Markt der Stadt, um sich mit lebensnotwendigen Waren wie Reis, Mehl oder Brennstoff einzudecken, die es in ihrem Land kaum mehr zu kaufen gibt. Mehrmals in der Woche wird auch die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince mit Lastwagen von Dajabón aus versorgt.

Haiti gilt als das ärmste Land des Kontinents, im Durchschnitt verdienen die Menschen täglich nicht mehr als einen Euro. Während Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO zufolge mehr als die Hälfte aller Haitianer unternährt ist, steigen die Preise für Lebensmittel drastisch an. Hinzu kommen Naturkatastrophen und die nach wie vor anhaltende politische Instabilität in einem Land, das bis 1987 unter der Duvalier-Diktatur litt und allein seither drei Staatsstreiche erlebte. 2004 wurde der damalige Präsident Jean-Bertrand Aristide mit kaum verhüllter Unterstützung der USA und Frankreichs gestürzt und nach Südafrika ins Exil gebracht. Anschließend wurde in Haiti eine rund 10000 Soldaten starke »UN-Friedenstruppe« stationiert, die aber bei vielen Haitianern als Unterdrücker verhaßt ist. So schossen brasilianische UN-Soldaten Augenzeugenberichten zufolge am 18. Juni auf einen Trauerzug von Anhängern der Partei »Fanmi Lavalas« und töteten einen Demonstranten.

Während eine grundsätzliche Veränderung der Lage in Haiti nicht in Sicht ist, machen die meisten Medien in der Dominikanischen Republik Stimmung gegen die Flüchtlinge. »Die haitianische Migration neutralisiert die Pläne gegen die Armut«, wettert die Tageszeitung Hoy, und El Nuevo Diario prophezeit: »Die Dominikanische Republik kommt nicht aus der Krise heraus, wenn die illegale Migration weitergeht«.

Erschienen am 7. November 2009 in der Wochenendbeilage der Tageszeitung junge Welt