Söldner gegen Caracas

Am 23. Februar stand eine bewaffnete Intervention in Venezuela unmittelbar bevor. Als die venezolanische Opposition versuchte, »humanitäre Hilfe« über die Grenze zu bringen, standen auf kolumbianischem Staatsgebiet in der zweiten Reihe rund 200 schwerbewaffnete Soldaten bereit, um den Weg freizuschießen und nach Venezuela einzudringen. Das berichtete am Mittwoch das US-Portal Bloomberg. Es habe sich um Deserteure der venezolanischen Streitkräfte gehandelt, die vom ehemaligen Generalmajor Cliver Alcala befehligt würden. Der offene Angriff sei erst in letzter Minute durch die kolumbianische Regierung gestoppt worden, die unkalkulierbare Konsequenzen einer solchen Aggression fürchtete, so Bloomberg. So blieben die militanten Straßenkämpfer, die mit Molotowcocktails die venezolanischen Soldaten angriffen und dabei die auf der Grenzbrücke wartenden Lkw in Brand setzten, alleine.

In den folgenden Tagen nannten kolumbianische Behörden immer höhere Zahlen venezolanischer Soldaten, die sich von ihren Einheiten abgesetzt hätten und nach Kolumbien geflohen seien. Letztlich war die Rede von 560 Deserteuren. Caracas wies die Zahlen als weit übertrieben zurück. Verteidigungsminister Vladimir Padrino López sprach von knapp über 100 Deserteuren. Sie wurden namentlich im Amtsblatt veröffentlicht und offiziell aus den Reihen der Nationalgarde ausgeschlossen.

Hintergrund der übertriebenen Zahlen ist nach Ansicht der venezolanischen Regierung, dass in Kolumbien eine paramilitärische Truppe aufgestellt werden soll. UN-Botschafter Samuel Moncada prangerte am 28. Februar im Sicherheitsrat an, dass die US-Administration am Aufbau einer »Venezuela-Befreiungsarmee« arbeite. Ziel sei die Bildung einer Söldnertruppe, die nach Venezuela eindringen und »den Frieden zerstören« solle. Die Regierung in Bogotá wies die Vorwürfe zurück.

Freddy Bernal, als »Beschützer von Táchira« inoffizieller Gouverneur des grenznahen venezolanischen Bundesstaates, erklärte am vergangenen Sonntag in einem Fernsehinterview, bei dem angeblichen Versuch, »humanitäre Hilfe« nach Venezuela zu bringen, habe es sich um ein »Trojanisches Pferd« gehandelt. »Zehn Meter hinter der Spitze« hätten sich »vier Blöcke bewaffneter Gruppen« befunden. Diese hätten hinter den Lastwagen auf venezolanisches Staatsgebiet vordringen sollen. Das sei gescheitert, weil die Armee mit Unterstützung Tausender Aktivisten einen Durchbruch verhindern konnte, so Bernal.

Der venezolanische Journalist Miguel Pérez Pinela machte den Sonderbeauftragten von US-Präsident Donald Trump, Elliott Abrams, als Hintermann bei der Aufstellung einer paramilitärischen Truppe aus. Dieser sei ein »Spezialist für die Schaffung von Parallelarmeen mit illegaler Bewaffnung«.

Abrams, der von US-Außenminister Michael Pompeo am 25. Januar ernannt worden war, blickt auf eine ebenso lange wie zweifelhafte Karriere zurück. Unter anderem war er in den 1980er Jahren für das State Department in Mittelamerika aktiv, wo von Washington unterstützte Militärdiktaturen Massaker an der Zivilbevölkerung begingen und die rechten »Contras« von Nachbarländern aus Krieg gegen die sandinistische Regierung Nicaraguas führten. 2002 war er nach Informationen des Londoner Observer auch in die Putschpläne gegen den damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez eingeweiht.

Jill Stein, ehemalige Präsidentschaftskandidatin der US-Grünen, kommentierte die Personalie bereits am 26. Januar per Twitter: »Trumps Mann für Venezuela, Elliott Abrams, unterstützte Todesschwadronen in Lateinamerika, die für rechte Diktatoren Tausende Menschen umbrachten; belog den Kongress, um die Iran-Con­tra-Affäre zu verschleiern; führte 2002 den US-Putschversuch in Venezuela an. Glaubt ihr immer noch, dass es um Demokratie und Menschenrechte geht?«

Erschienen am 9. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt