Selbstanzeige

Die von spanischen und internationalen Medien geführte Kampagne über eine angebliche Ausbildung von ETA-Mitgliedern in Venezuela könnte sich gegen Madrid wenden. José Arturo Cubillas Fontán, der in zahlreichen Medienberichten als mutmaßlicher Ausbilder von Aktivisten der baskischen Untergrundorganisation und der kolumbianischen FARC-Guerilla in dem südamerikanischen Land genannt wurde, reichte am Montag nachmittag (Ortszeit) entsprechend der venezolanischen Strafprozeßordnung eine Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Caracas ein, damit diese die gegen ihn erhobenen Vorwürfe untersucht. Er fühle sich von den auch in venezolanischen Zeitungen veröffentlichten Beschuldigungen beleidigt und sehe seine Reputation angegriffen, schreibt Cubillas in dem dreiseitigen Dokument. Bei den Untersuchungen soll es jedoch nicht nur um die von zwei baskischen Gefangenen erhobenen Anschuldigungen gehen, in Venezuela von Cubillas militärisch ausgebildet worden zu sein. Ermittelt werden soll auch, wie diese Aussagen entstanden sind. Deshalb hat Cubillas beantragt, »alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen um festzustellen, ob diese Bürger baskischer Abstammung Opfer von Folter oder in einer anderen Form zu ihren Aussagen genötigt worden sind«.

Damit greift Cubillas Vorwürfe des Rechtsanwalts Aiert Larrarte auf, der als Verteidiger von Xabier Atristain und Juan Carlos Besance am Montag gefordert hatte, den Aussagen seiner Mandanten keine Rechtskraft beizumessen, da diese unter Folter zustande gekommen seien. Gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur sagte Larrarte, den beiden Gefangenen seien bei den Vernehmungen Plastiktüten über den Kopf gestülpt worden, wodurch diesen die Luft abgeschnürt wurde. Seine Mandaten seien nicht die einzigen Opfer solcher Übergriffe, aber mehr als 7000 entsprechenden Beschwerden würden von der spanischen Regierung und den Medien des Landes ignoriert.

Die venezolanische Generalstaatsanwaltschaft hat nun eine Kommission unter der Leitung von Richard Monasterios eingesetzt, die den Vorwürfen nachgehen soll. Die Regierung in Caracas hatte schon zuvor jede Verbindung zur ETA zurückgewiesen und erklärt, es handele sich um eine von der spanischen Rechten geschürte Kampagne, mit der die Beziehungen zwischen beiden Ländern beeinträchtigt werden sollen. Schon in der vergangenen Woche hatte auch Venezuelas Botschafter in Madrid, Julián Isaías Rodríguez, an die im März von beiden Regierungen unterzeichnete Erklärung erinnert, in der die terroristischen Methoden der ETA verurteilt werden. Zugleich zweifelte Isaías, der vor seiner Diplomatenlaufbahn selbst Generalstaatsanwalt seines Landes gewesen war, die Beweiskraft der Aussagen der beiden Gefangenen an. Venezuela habe »ernsthafte Zweifel« daran, ob diese »falschen und bösartigen Aussagen vollkommen freiwillig« erfolgt seien. Selbst wenn keine Folter vorgelegen habe, würden auch Drohungen gegen Familienangehörige oder in Aussicht gestellte Belohnungen oder Strafnachlässe den Anschuldigungen jede Beweiskraft nehmen.

Erschienen am 13. Oktober 2010 in der Tageszeitung junge Welt