Schwur auf den Sozialismus

Venezuelas gewählter Präsident Nicolás Maduro hat am Freitag in Caracas den Amtseid abgelegt. »Ich schwöre auf diese vom Volk 1999 verabschiedete Verfassung. Ich schwöre heute, am 19. April, auf das ewige Erbe der Befreier«, erklärte er mit dem kleinen blauen Buch des venezolanischen Grundgesetzes in der Hand. Parlamentspräsident Diosdado Cabello und die Tochter des am 5. März verstorbenen Hugo Chávez, María Gabriela, hängten ihm anschließend die gelb-blau-rote Schärpe des Staatschefs um. Anwesend bei der Zeremonie waren mehr als 50 ausländische Delegationen, unter ihnen die Staatschefs Cristina Fernández (Argentinien), Raúl Castro (Kuba), Mahmud Ahmadinedschad (Iran), Dilma Rousseff (Brasilien), Juan Manuel Santos (Kolumbien) und andere.

 

Anschließend ergriff Maduro das Wort zu einer über alle Rundfunk- und Fernsehsender des Landes ausgestrahlten Ansprache. Er rief zum Frieden auf, kündigte eine »soziale Revolu­tion«, eine »Revolution in der Revolution« und einen Ausbau der sozialen Missionen an und würdigte die Opfer des konterrevolutionären Terrors. Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 14. April und dessen Nichtanerkennung durch Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski waren in den folgenden Tagen bei Angriffen auf Gesundheitszentren, Büros der Vereinten Sozialistischen Partei, des Nationalen Wahlrates und auf Busse von Staatsunternehmen zahlreiche Menschen verletzt und mindestens acht Personen getötet worden. Dabei richtete sich die Wut der Rechten besonders gegen Kubaner in Venezuela, die der Bevölkerung als Ärzte und Helfer zur Seite stehen. Das Volk dürfe solchen Haß und Rassismus nicht zulassen, forderte Maduro und würdigte in Anwesenheit des kubanischen Präsidenten Raúl Castro besonders die Solidarität der Karibikrepublik. Auch als Reaktion auf die jüngsten Übergriffe solle das Medizinprogramm »Barrio Adentro« in den kommenden sechs Jahren mit 60000 neuen Medizinern ausgeweitet werden. Dabei handele es sich in erster Linie um junge Venezolaner, die dazu ausgebildet werden, unterstrich Maduro.

Die Kampagne gegen Kubaner in Venezuela verglich Maduro erneut mit dem antijüdischen Rassismus im Deutschland der 30er und 40er Jahre. Die Bedingungen damals unterschieden sich allerdings stark von den heutigen Verhältnissen; Europa habe damals zu spät auf die Bedrohung durch die Nazis reagiert: »Damals hofften die europäischen Mächte, daß sich der deutsche Rassismus gegen die Sowjetunion richten möge. Und so war es Marschall Shukow, der im April 1945 die rote Fahne auf dem Reichstag hissen lassen mußte, um die Menschheit zu befreien.«

Für eine Schrecksekunde sorgte zu Beginn von Maduros Rede ein junger Mann, der plötzlich das Rednerpult stürmte und dem Präsidenten zurief: »Nicolás! Mein Name ist Yendrick, ich brauche Ihre Hilfe!« Bei dem Störer handelte es sich Medienberichten zufolge um Yendrick Sánchez González, einen 28jährigen aus Zulia, der sich offenbar mit einem Verwandten einen bizarren Wettstreit darum liefert, wer öfter auf diese Weise wichtige Veranstaltungen stören kann. So habe er bereits eine Wahlkampfrede des Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski und eine Miß-Wahl unterbrochen. Maduro nahm seine Rede anschließend gefaßt, aber offensichtlich unter dem Eindruck des Erlebten stehend wieder auf: »Die Sicherheit hat versagt, auf mich hätte geschossen werden können«, kritisierte er die Absperrmaßnahmen.

Erschienen am 22. April 2013 in der Tageszeitung junge Welt