Schwarze Hände, zerstörter Wald

In New York ist in dieser Woche ein Prozeß zu Ende gegangen, in dem über eine Klage des US-Ölmultis Chevron gegen den Rechtsanwalt Steven Donziger verhandelt wurde. Der Konzern wirft Donziger vor, an einer »Verschwörung« beteiligt gewesen zu sein, um in Ecuador mittels Schmiergeldern und gefälschten Unterlagen eine Verurteilung Chevrons zu erreichen. Beide Seiten teilten hart aus. Chevron-Anwalt Randy Mastro erklärte, Donziger habe eine so geschickte Strategie eingefädelt, »daß jeder Mafiaboß rot angelaufen wäre«. Demgegenüber wetterte die Verteidigerin des Angeklagten, Zoe Little­page, Behauptungen und Anschuldigungen seien keine Beweise. »Mag sein, daß Steven Donziger ein Idiot ist – aber das ist nicht verboten«, erklärte sie über ihren Mandanten. Ein Urteil steht noch aus, die beiden Prozeßparteien können in den kommenden Monaten noch mehrere nachprozeßuale Stellungnahmen abgeben.

 

Eigentlich geht es jedoch um einen Skandal, der sich rund 4500 Kilometer weiter südlich abgespielt hat. 1993 verklagten rund 30000 Bewohner der im Norden Ecuadors gelegenen Provinz Sucumbíos den Ölkonzern Texaco, weil dieser Milliarden Liter giftiger Erdölabfälle im Regenwald entsorgt hatte. Zu ihren Anwälten gehörte Donziger. Das Unternehmen beantragte daraufhin, den Prozeß nicht in den USA, sondern in Ecuador zu führen. Mit Blick auf die damals dort noch herrschenden Verhältnisse glaubte man, auf diese Weise billiger davonzukommen. Auch der Konzern Chevron interessierte das anhängige Verfahren nicht, als er Texaco im Jahr 2001 aufkaufte. Doch zehn Jahre später wurde der Konzern als Rechtsnachfolger des verklagten Unternehmens zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 18 Milliarden US-Dollar verurteilt. Ende Oktober bestätigte der Oberste Gerichtshof des südamerikanischen Landes das Urteil im wesentlichen, reduzierte die zu zahlende Buße jedoch auf 9,5 Milliarden Dollar. Ein mächtiger Batzen bleibt das auch für einen Multi wie Chevron trotzdem.

Die Leidtragenden der endlosen Auseinandersetzung sind die Bauern und andere Bewohner in Sucumbíos, die bis heute unter den Folgen der Umweltzerstörung durch Texaco/Chevron leiden. Zwar hilft die Regierung des südamerikanischen Landes unter anderem dabei, den Mangel an sauberem Trinkwasser in den betroffenen Gebieten zu beheben, doch die komplette Sanierung scheitert bislang am fehlenden Geld. Mehr als zwei Millionen Hektar im Amazonasgebiet müssen gesäubert werden. Deshalb hat auch die Regierung des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa ein Interesse daran, den US-Konzern zur Kasse zu bitten.

Um den betroffenen Menschen ein Gesicht zu geben, eröffnete die ecuadorianische Botschaft Mitte November eine Fotoausstellung mit Bildern von Einwohnern aus Sucumbíos, die bis heute in der zerstörten Landschaft leben. Einige von ihnen gehören selbst zu den Klägern gegen Chevron. Die Ausstellung kann werktäglich zwischen neun und 17 Uhr in den Räumen der ecuadorianischen Botschaft (Joachimstaler Str. 12, 10719 Berlin) besichtigt werden.

Auch bei den am kommenden Samstag in Quito beginnenden 18. Weltfestspielen der Jugend und Studierenden ist der Konflikt um Chevron ein Thema. So soll die Weigerung des Konzerns, die Schäden zu beheben, ein Anklagepunkt beim Antiimperialistischen Tribunal werden, das traditionell eine der wichtigsten Veranstaltungen der seit 1947 durchgeführten Festivals ist. Schon seit Wochen läuft zudem die internationale Kampagne »Die schmutzigen Hände von Chevron«. Der Titel spielt darauf an, daß noch heute die Gewässer von Sucumbíos so verschmutzt sind, daß eine in das Wasser gesteckte Hand beim Herausziehen schwarz vor Teer und Dreck ist. Ecuadors Präsident Rafael Correa hatte das vor einigen Wochen bei einem Besuch in der Gegend selbst demonstriert. Im Rahmen der Kampagne protestieren am Samstag ab 15 Uhr vor dem Brandenburger Tor in Berlin Lateinamerikainitiativen gegen den US-Konzern.

Erschienen am 30. November 2013 in der Tageszeitung junge Welt