Schmutzkampagne vor der Wahl

Am kommenden Sonntag sind fast 30 Millionen Menschen in Kolumbien aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Auch den jüngsten Umfragen zufolge dürften sich im ersten Wahlgang der frühere Verteidigungsminister Juan Manuel Santos und der grüne Kandidat Antanas Mockus ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern und sich dann am 20. Juni in einer Stichwahl gegenüberstehen. Während sich in dieser Situation die Regierung des scheidenden Präsidenten Álvaro Uribe auf seiten ihres Favoriten Santos in den Wahlkampf einmischt, sprechen kolumbianische Beobachter bereits von einem »schmutzigen Krieg«. So kritisierte der Kolumnist und Rechtsanwalt Ramiro Bejarano gegenüber dem Rundfunksender Radio Caracol, daß der kolumbianische Vizepräsident Francisco Santos erklärt habe, der Skandal um dem Bruder von Staatschef Uribe sei lediglich ein Wahlkampfmanöver, um die Chancen der Regierungspartei »de la U« zu verringern. Am Wochenende hatte der frühere Polizeimajor Juan Carlos Meneses in der US-Tageszeitung The Washington Post Uribes Bruder Santiago vorgeworfen, in den 90er Jahren eine Einheit der Paramilitärs in der Provinz Antioquia befehligt zu haben. Diese Gruppe habe »kleine Gauner, Sympathisanten der Guerilla und der Subversion Verdächtige« ermordet, die Täter seien auf der Finca »La Carolina«, die im Besitz der Familie Uribe ist, ausgebildet worden.

Selbst Anhänger des Regierungslagers wie der frühere Handelsminister Jorge Humberto Botero räumen ein, daß die Regierung »gegenüber einigen Kandidaten unglückliche Formulierungen« gewählt habe. So hatte Uribe den grünen Kandidaten Antanas Mockus indirekt als »behindertes Pferd« bezeichnet.

Am Montag behauptete die Regierungssekretärin des kolumbianischen Bundesstaates Meta, Ángela María Moreno Neira, daß Guerilleros der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) die Wähler unter Druck setzten, für Mockus zu stimmen. Deshalb sei die Militärpräsenz in der Region »extrem« verstärkt worden, um die Wahlen »zu garantieren«. Tatsächlich dürfte aber auch dies eher in die schmutzige Kampagne gegen den grünen Kandidaten fallen, denn die FARC und ihnen nahestehende Medien haben wiederholt jede Präferenz für einen Kandidaten bestritten. »Verschwenden wir unsere Zeit nicht mit den Wahlen, bauen wir das neue Kolumbien auf«, wirbt etwa die alternative Nachrichtenagentur ANNCOL auf einem Banner, in dem die Fotos aller Kandidaten als »mehr vom selben« bezeichnet werden. Mockus selbst hatte sich am Dienstag in einer Fernsehdiskussion dafür ausgesprochen, die FARC militärisch zu besiegen. Dieser Sieg müsse allerdings »sauber« sein, weshalb auf den Einsatz von Paramilitärs verzichtet werden solle, so der Grüne, von dem sich viele Kolumbianer offenbar zu Unrecht ein Ende des Bürgerkrieges versprechen.

Unterdessen machte Yuri Tatiana Moncayo, die Schwester des Ende März von der Guerilla freigelassenen Offiziers Pablo Emilio Moncayo, darauf aufmerksam, daß das Profil ihres Bruders im Onlinedienst »Facebook« gefälscht worden sei. »Am lächerlichsten ist, daß der Fälscher den Kandidaten Santos unterstützt«, sagte sie gegenüber junge Welt. Tatsächlich wird auf der gefälschten Seite ein altes Foto des über mehr als ein Jahrzehnt von der Guerilla gefangengehaltenen Soldaten gezeigt, das von der Familie in jener Zeit benutzt worden war, um für seine Freilassung zu werben. Auf dem echten Profil sind hingegen aktuelle Fotos zu sehen. Pablo Emilio Moncayo hatte nach seiner Freilassung zwar unter anderem den Präsidenten Rafael Correa und Hugo Chávez für die Bemühungen um seine Freilassung gedankt, nicht jedoch Kolumbiens Staatschef Uribe, der die entsprechenden Bemühungen lange behindert hatte.

Erschienen am 27. Mai 2010 in der Tageszeitung junge Welt und am 28. Mai 2010 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek