Schlimmer als die Befürchtungen

Mit scharfer Kritik hat Venezuela auf die Ergebnisse des UN-Gipfeltreffens über den Klimawandel im südafrikanischen Durban reagiert. Der Verlauf der Konferenz habe die »schlimmsten Befürchtungen« noch übertroffen, sagte Delegationsleiterin Claudia Salermo gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur. In Durban sei es bei reinen Absichtserklärungen der Industriestaaten geblieben, das sei »verheerend für den Planeten«. Entgegen der lautstarken Forderung der Entwicklungsländer nach einem verbindlichen Abkommen hätten sich nur die mächtigen Industrienationen untereinander verständigt und die Interessen der Mehrheit der Weltbevölkerung ignoriert.

Auch der Leiter der bolivianischen Repräsentation, René Orellana, kritisierte das in der Nacht zum Sonntag verabschiedete Abschlußdokument. 60 Absätze beschäftigten sich darin mit Anforderungen und Kontrollen für die armen Länder des Planeten, während nur 31 sich mit den entwickelten Industriestaaten befassen, so Orellana. Letztere verursachten jedoch 75 Prozent der globalen Schadstoffemissionen.

Das in Durban verabschiedete Dokument sieht unter anderem vor, ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll erst bei der nächsten UN-Klimakonferenz zu entwerfen, die 2012 in Katar stattfinden soll. Bis »spätestens 2015« soll zudem eine »Vereinbarung mit Rechtskraft« zum Klimaschutz erreicht werden, das auch die Staaten einbezieht, die das Protokoll nicht ratifiziert haben. Dazu gehören die USA, China und Indien. Nicht wesentlich über Absichtsbekundungen herausgekommen ist auch das Projekt eines »Grünen Klimafonds«, das bereits bei der Vorgängerkonferenz im November 2010 im mexikanischen Cancún verabschiedet worden war. Ab 2020 soll dieser umgerechnet 74 Milliarden Euro bereitstellen, um die Entwicklungsländer bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Konkrete Möglichkeiten zur Finanzierung wurden in Durban jedoch nicht vereinbart. Ein Modell etwa, den Fonds aus Abgaben auf den Schiffs- und Flugverkehr zu füttern, wurde verworfen. Auch hinsichtlich des Schutzes der Wälder gab es praktisch keine Fortschritte.

Trotzdem bejubelte Bundesumweltminister Norbert Röttgen das »Paket von Durban« als »großen, wegweisenden Erfolg für den globalen Klimaschutz« und »qualitativen Sprung nach vorne«. Der Minister versuchte, sich trotz der vagen Absichtserklärungen als Vorkämpfer der armen Länder zu inszenieren: »Durch ein starkes Bündnis zwischen der EU, den am schwächsten entwickelten Staaten und den kleinen Inselstaaten, die am meisten vom Klimawandel bedroht sind, ist es gelungen, ein Paket von Maßnahmen zu schnüren, das langfristig alle und vor allem auch die großen Emittenten verpflichten wird.« Realistischer zeigte sich am Montag Bundespräsident Christian Wulff bei einem Besuch in Dubai. Das Ergebnis des Treffens habe gezeigt, wie weit weg ein tragfähiges Kyoto-Nachfolgeprotokoll noch sei.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bewertet die Ergebnisse von Durban sogar als Rückschlag für den Umweltschutz. »Angesichts des schwierigen Verhandlungsverlaufes wäre es besser gewesen, die Klimakonferenz hätte keine Beschlüsse gefaßt, sondern im neuen Jahr so lange weiterverhandelt, bis ein wirklich gutes Ergebnis erzielt worden wäre«, sagte der Leiter Internationale Klimapolitik von Greenpeace, Martin Kaiser. Er hatte die Verhandlungen in Durban als Beobachter begleitet.

Erschienen am 13. Dezember 2011 in der Tageszeitung junge Welt