Schichtwechsel

Nach vier Jahren in Berlin kehrt Kubas Botschafter Raúl ­Becerra Egaña am Montag nach Hause zurück und freut sich darauf, nach einem wohlverdienten Urlaub wieder in seinen eigentlichen Arbeitsbereich, die Ökonomie, zurückkehren zu können. Als sein Nachfolger wird Anfang Oktober René Juan Mujica erwartet, der bislang in der für Nordamerika zuständigen Abteilung des kubanischen Außenministeriums tätig war. Er bringt viele Erfahrungen als Diplomat mit und vertrat sein Land bereits als Botschafter in Brüssel und in London und war zuvor auch viele Jahre bei der kubanischen Interessenvertretung in Washington tätig.

 

Becerra zog im Gespräch mit junge Welt eine positive Bilanz seiner Amtszeit. In den bilateralen Beziehungen zwischen Kuba und Deutschland seien Fortschritte erreicht worden, wenn auch nicht so schnell, wie er sie sich zunächst erhofft habe. Kritisch kommentierte er das Verhalten der Bundesregierung bei den laufenden Verhandlungen zwischen der EU und Havanna über ein Kooperationsabkommen. Berlin verlange gegen die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten, daß in den Vertrag eine Klausel aufgenommen wird, derzufolge die EU bei Menschenrechtsverletzungen in Kuba das Abkommen aussetzen darf. »Eine solche Klausel gibt es in keinem anderen Vertrag, das wäre ein absolutes Novum«, kritisierte Becerra. Er hoffe aber darauf, daß in den weiteren Gesprächen eine akzeptable Lösung gefunden werde. Vielleicht korrigiere ja die aus den Wahlen am Sonntag hervorgehende Bundesregierung ihre Haltung in der Frage. »Die Zusammenarbeit ist für beide Seiten sinnvoll«, unterstrich der Botschafter, »es gibt keinen Grund, warum wir die Beziehungen nicht verbessern sollten«.

Sehr ausgeweitet habe sich bereits der akademische und Kulturaustausch zwischen beiden Ländern. Die kubanische Kultur sei in der Bundesrepublik sehr präsent, wenn auch vor allem auf kommerzieller Ebene. Umgekehrt bestehe auf der Insel auch ein sehr großes Interesse an Kunst und Musik aus Deutschland. So beteilige sich das Teatro Lírico Nacional in Havanna im November mit der Aufführung der Oper »Der fliegende Holländer« an den Veranstaltungen zum 200. Geburtstag des Komponisten Richard Wagner.

Auf die Frage, was er seinem Nachfolger mit auf den Weg geben werde, forderte Becerra vor allem Transparenz in allen Bereichen der Arbeit: »Wir haben nichts zu verbergen.« Nur so könne man beim Gegenüber Vertrauen und Verständnis erreichen. Dabei brauche man vor keiner politischen Kraft dieses Landes Angst zu haben, so kompliziert die Beziehungen auch sein mögen. In den vergangenen Jahren seien nicht nur Linke, sondern auch Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und der FDP zu Gesprächen nach Havanna gereist. »Sie haben mit eigenen Augen gesehen, daß wir nicht so böse sind, wie sie dachten, und sind mit einer positiveren Einstellung zurückgekehrt«, so der scheidende Botschafter. Lediglich die Grünen hätten sich dem Dialog verweigert.

Mit Blick auf die verschiedenen linken Organisationen in Europa lobte Becerra deren Solidarität mit Kuba. Sie sei »beispielhaft«, zumal es in diesem Bereich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine große Einmütigkeit der verschiedenen Kräfte gebe. Ansonsten müsse man den Freunden manchmal »in aller Vorsicht« den Rat geben, gegenseitig bestehende Unterschiede zu respektieren. Das falle manchen schwer.

Von den Solidaritätsgruppen hatte sich Becerra bereits am 3. September im Karl-Liebknecht-Haus, dem Sitz der Linkspartei, verabschiedet. Bei der vom Netzwerk Cuba organisierten Treffen bedankte sich der Botschafter für die Unterstützung im Kampf gegen die US-Blockade und im Kampf für die Freilassung der in den USA inhaftierten »Cuban Five« sowie bei der Verbreitung von Informationen über die kubanische Revolution.

Erschienen am 21. September 2013 in der Tageszeitung junge Welt