Schauermärchen gegen Maduro

Jugendliche aus mehr als 20 Ländern wollen ab dem 20. Februar in Caracas ihre Unterstützung für die Regierung Venezuelas demonstrieren. Zu der »Internationalen Solidaritätsmission für die Bolivarische Revolution« hat der Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) aufgerufen. Der internationale Zusammenschluss antiimperialistischer Jugendverbände, dem aus Deutschland vor allem die SDAJ angehört, begeht 2015 den 70. Jahrestag seiner Gründung. Mit dem südamerikanischen Land ist die Organisation vor allem seit 2005 verbunden, als in Caracas 17.000 Jugendliche aus rund 140 Ländern zu den 16. Weltfestspielen der Jugend und Studenten zusammenkamen. Mit dem aktuellen Aufruf reagiert der WBDJ auf die sich zuspitzende innenpolitische Lage in Venezuela.

Präsident Nicolás Maduro warnte am Wochenende in dramatischen Worten vor einem »blutigen Putsch«, der bereits begonnen habe. Bei einem Festakt zum 198. Jahrestag der Geburt von Ezequiel Zamora, der als »General des souveränen Volkes« eine der verehrten Persönlichkeiten der venezolanischen Geschichte ist, machte Maduro direkt die Vereinigten Staaten für die Destabilisierung seines Landes verantwortlich. US-Vizepräsident Joseph Biden habe direkten Kontakt mit Staatschefs mehrerer Länder aufgenommen, um diesen den bevorstehenden Sturz der venezolanischen Regierung anzukündigen. Er rief das Volk zu höchster Wachsamkeit auf: »Wenn sie uns böse kommen, werden sie ein Volk vorfinden, das die Verfassung verteidigt!«

Es ist nicht das erste Mal, dass Maduro vor einem Staatsstreich warnt, doch in den vergangenen Wochen haben sich die Anzeichen dafür gemehrt. Am Montag sprach die nordamerikanisch-venezolanische Rechtsanwältin und Publizistin Eva Golinger in einem Artikel von einem »Putsch in Echtzeit«, der sich in Venezuela »wie in einem schlechten CIA-Agentenfilm« vollziehe. Sie verwies auf die internationale Medienkampagne gegen das südamerikanische Land, bei der sich vor allem die New York Times und die spanische Tageszeitung ABC hervortun. Das US-amerikanische Blatt widmete der venezolanischen Wirtschaft Ende Januar seine Titelseite und berichtete detailliert über lange Schlangen vor den Geschäften und leeren Regalen in den Supermärkten. Nur einen Halbsatz wert war der New York Times dagegen, dass Spekulanten, Schmuggler und Kampagnen der Regierungsgegner die Krise verschärfen, die vor allem durch die niedrigen Ölpreise und die nach wie vor bestehende Abhängigkeit Venezuelas vom Erdöl provoziert worden ist. Statt dessen publizierte sie einen weiteren Artikel unter der provozierenden Überschrift »Mr. Maduro in seinem Labyrinth« – eine Anspielung auf den Roman von Gabriel García Márquez über die Entmachtung und den Tod des venezolanischen Nationalhelden Simón Bolívar.

Aus Madrid befeuert ABC die Kampagne seit Anfang vergangener Woche mit einer Reihe von Artikeln, die sich vor allem gegen die derzeitige »Nummer zwei« der venezolanischen Führung, Parlamentspräsident Diosdado Cabello, richten. Dieser sei Chef eines in den Streitkräften aktiven Drogenkartells »Los Soles«, schrieb die tiefreaktionäre Zeitung unter Berufung auf ein ehemaliges Mitglied der Leibgarde Cabellos, Leamsy Salazar. Dieser hatte sich im Dezember in die USA abgesetzt und erkauft sich dort nun sein bequemes Leben mit allen Schauergeschichten, die von ihm gewünscht werden. So könne sich Cabello bei seinen Drogengeschäften nicht nur auf die unvermeidliche kolumbianische FARC-Guerilla stützen, sondern auch noch auf Kuba und die libanesische Hisbollah. In Haftung genommen werden auch noch Angehörige des verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, die höchstpersönlich mit Linienflugzeugen der staatlichen Airline Conviasa Drogen transportiert haben sollen. Dass Salazar dabei von ABC gleich noch zum »Chef« von Cabellos Leibwache befördert wurde – was selbst venezolanische Oppositionsmedien dementierten –, passt ins Bild. Die mutmaßlichen Auftraggeber dieser Kampagne meldeten sich ebenfalls zu Wort. Die Aussagen Salazars seien »ein weiterer Beweis dafür, wie sich der Drogenhandel in den vergangenen zehn Jahren in Venezuela etablieren konnte«, zitierte ABC den US-Vizeminister für Drogenbekämpfung, William Brownfield. Dieser greift jedoch zu kurz: Nie bewiesene Vorwürfe, die venezolanische Regierung würde mit der kolumbianischen »Drogenguerilla« zusammenarbeiten, kamen schon unmittelbar nach dem Amtsantritt von Hugo Chávez am 2. Februar 1999, also vor 16 Jahren, auf. Erste Berichte über Drogenbanden in der venezolanischen Armee, die unter dem Namen »Los Soles« aktiv gewesen sein sollen, stammen sogar von 1993. Damals aber saß Chávez im Gefängnis, während die USA in Venezuela frei schalten und walten konnten.

Erschienen am 4. Februar 2015 in der Tageszeitung junge Welt