Sadistische Freude

Die von den USA gegen Venezuela verhängte Finanzblockade hat nach Angaben der Regierung in Caracas das Leben eines Kindes gefordert. Der Sechsjährige sollte in Italien eine Knochenmarktransplantation erhalten. Doch die Wartezeit war zu lange, am Montag starb der Junge.

Solche Operationen waren bisher aus einem Hilfsfonds bezahlt worden, den Citgo eingerichtet hatte, das Tochterunternehmen des staatlichen venezolanischen Erdölkonzerns PDVSA in den USA. Anfang des Jahres blockierte die US-Administration jedoch die Konten des Unternehmens, zudem kann Venezuelas Regierung aufgrund der Sanktionen praktisch keine internationalen Geldüberweisungen mehr tätigen. Bereits Mitte April hatte Außenminister Jorge Arreaza deshalb auf die dramatische Lage von mindestens 25 kleinen Patienten hingewiesen und die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten. Offenbar vergeblich.

Venezuelas Vizepräsidentin Delcy Rodríguez machte Washington direkt für den Tod des Kindes verantwortlich: »Sie haben Citgo gestohlen, um ihre kleinkarierten imperialen Begierden zu befriedigen, und noble Sozialprogramme eliminiert, durch die Kindern geholfen werden sollte«, schrieb sie auf Twitter. Arreaza verurteilte die Wirtschaftsblockade der USA gegen sein Land als eine »verbrecherische und unmenschliche Tat«.

In Washington herrscht dagegen »sadistische Freude« über die Folgen der Blockade in dem südamerikanischen Land. So kommentierte jedenfalls das US-Onlineportal The Gray Zone am Montag einen Bericht, den das US-Außenministerium am 24. April auf seiner Homepage veröffentlicht hatte. In diesem »Fact Sheet« über »US-Aktionen zu Venezuela« bezeichnet das State Department unter anderem die Selbsternennung von Juan Guaidó zum »Interimspräsidenten« und dessen Anerkennung durch 54 Länder sowie dessen Nominierung von 36 »Botschaftern« und drei Vertretern bei internationalen Organisationen als Erfolge der eigenen Politik. In Caracas wird das als offizielles Eingeständnis gewertet, dass es sich bei Guaidó nur um eine Marionette Washingtons handelt.

Stolz verkündet der Bericht zudem, dass Citgo nun unter der Kontrolle der »Interimsregierung« von Guaidó stehe und rund 3,2 Milliarden Dollar venezolanischer Vermögenswerte im Ausland eingefroren sowie die Erdölexporte um mehr als die Hälfte zurückgegangen seien. Darunter leide die gesamte Bevölkerung Venezuelas, so The Gray Zone. Die Sanktionen stellten deshalb eine Form kollektiver Bestrafung dar, die nach Artikel 33 der Genfer Konvention verboten ist.

Das haben offenbar auch die Verantwortlichen in Washington erkannt – schon kurz nach der Veröffentlichung wurde der Bericht wieder von der Homepage gelöscht. Doch The Gray Zone hat den vollständigen Text als Faksimile dokumentiert. Und nicht nur das: Zumindest auf der Homepage der US-Botschaft in Brasilien war der »Fact Sheet« auch am Mittwoch noch abrufbar.

kurzlink.de/blockadebericht

Erschienen am 9. Mai 2019 in der Tageszeitung junge Welt