Rote OAS-Karte

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat am Samstag die Mitgliedschaft von Honduras suspendiert. Dies gelte solange, bis in dem zentralamerikanischen Land wieder demokratische Verhältnisse einziehen. Der Beschluß wurde mit den Stimmen aller 33 Mitglieder gefaßt. Es war das erste Mal seit 1962 (damals gegenüber Kuba), daß eine solche Maßnahme gegen ein Mitglied ergriffen wurde. Zugleich ist es das erste Mal, daß die OAS in dieser Weise auf einen Militärputsch in Lateinamerika reagiert.

In der Resolution wird die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte in Honduras zu ergreifen. OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza wurde beauftragt, alle diplomatischen Möglichkeiten zu ergreifen, um die Wiedereinsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung im Land zu erreichen, ohne daß dies in irgendeiner Weise als Anerkennung des Regimes in Tegucigalpa gewertet werden dürfe. Bereits zuvor hatten die Putschisten ihrerseits den Austritt des Landes aus der OAS erklärt. Da die Organisation das Regime jedoch nicht anerkennt, hatte diese Erklärung keinen Einfluß auf den Verlauf der Sitzung.

Am Rande der OAS-Tagung kündigte der gestürzte Präsident Manuel Zelaya an, am Sonntag zwischen 13 und 14 Uhr Ortszeit (zwischen 21 und 22 Uhr MESZ; nach jW-Redaktionsschluß) in Honduras eintreffen zu wollen. Die bevorstehende Reise sorgte in dem Land selbst für Anspannung, da die Putschisten angekündigt hatten, Zelaya bei seiner Ankunft in Tegucigalpa verhaften zu wollen. Von Journalisten gefragt, wer seinen Schutz garantiere, antwortete Zelaya: »Fürchten Sie sich nicht. Sie von den internationalen Medien sind meine Sicherheit, und außerdem ist das Volk da. Ich habe Gott und das Volk, und ich denke, das ist eine Menge.« Begleitet werden sollte Zelaya von Ecuadors Präsident Rafael Correa, Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und von Paraguays Staatschef Fernando Lugo.

Während Kanada und Costa Rica Zelaya baten, sein Vorhaben »aus Sicherheitsgründen« nicht durchzuführen, schloß der rechtmäßige Präsident dies aus. Er könne seine Rückkehr ja bis zum 27. Januar 2010 verschieben, meinte er ironisch. An diesem Tag endet Zelayas Amtszeit als Präsident des Landes.

Aus ganz anderen Beweggründen hat auch die Katholische Kirche von Honduras Zelaya vor einer Rückkehr gewarnt. Kardinal Oscar Andrés Rodríguez verlas im Fernsehen eine Erklärung der honduranischen Bischofskonferenz, in der die Kleriker den Putsch verteidigen. »Eine Rückkehr in das Land zu diesem Zeitpunkt könnte ein Blutbad auslösen«, warnte der Kardinal Zelaya, den er als seinen »Freund« bezeichnete.

Unterdessen wies die in Caracas lebende US-amerikanische Rechtsanwältin und Publizistin Eva Golinger, die durch die Enthüllung der US-amerikanischen Finanzhilfe für die Opposition in Venezuela bekannt geworden ist, auf eine mögliche Verwicklung der US-Administration in den Staatsstreich hin. Im venezolanischen Fernsehen erklärte Golinger, mehrere nordamerikanische Gruppierungen seien vor dem Putsch in Honduras aktiv gewesen und hätten die Opposition gegen Zelaya finanziert. Das könne ein Indiz dafür sein, daß die USA den Staatsstreich zumindest ökonomisch unterstützten. In jedem Falle komme der »politische Sauerstoff« für die Putschisten aus den USA, die in dem Land wirtschaftliche und militärische Interessen haben. Washington suche derzeit nach der »semantischen Form«, um den Staatsstreich in Honduras zu rechtfertigen und somit ihre Militärpräsenz in Honduras beibehalten zu können.

In Soto Cano, knapp 100 Kilometer von der Hauptstadt Tegucigalpa entfernt, unterhalten die USA eine Luftwaffenbasis, die 1981 unter der Reagan-Administration eingerichtet worden war, um den Contra-Krieg gegen das sandinistische Nicaragua zu unterstützen.

Erschienen am 6. Juli 2009 in der Tageszeitung junge Welt und am 7. Juli 2009 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek