junge Welt, 17. Februar 2009

»Ja« zur Revolution

junge Welt, 17. Februar 2009 »Alle, die heute mit Ja stimmten, haben für den Sozialismus und für die Revolution gestimmt«, rief Venezuelas Präsident Hugo Chávez den Tausenden Menschen zu, die am Sonntag abend zum Präsidentenpalast Miraflores in Caracas geströmt waren, um den Sieg des »Ja« beim Referendum über die Verfassungsänderung zu feiern. »Die Türen zur Zukunft stehen weit offen«, so Chávez, der ankündigte, sich 2012 erneut zur Wahl zu stellen – solange Gott und das venezolanische Volk nichts anderes geplant hätten. Unmittelbar zuvor hatte die Präsidentin des Nationalen Wahlrates (CNE), Tibisay Lucena, die ersten offiziellen Zahlen bekanntgegeben.

Nach Auszählung von über 94 Prozent der Stimmen lagen die Unterstützer der Verfassungsänderung, durch die eine mehrfache Wiederwahl des Präsidenten und anderer Amtsinhaber ermöglicht wird, mit über einer Mil­lion Stimmen Vorsprung gegenüber dem »Nein« in Führung und hatten 54,36 Prozent der Stimmen erreicht. Die Beteiligung an der Abstimmung lag bei knapp 70 Prozent. Auch in 19 der 24 Bundesstaaten Venezuelas lag das »Ja« vorn. Von besonderer Bedeutung sind hier die Hauptstadt Caracas und der Staat Carabobo, wo die Opposition bei der Regionalwahl im vergangenen November Mehrheiten errungen hatte, in denen sich nun aber die revolutionäre Bewegung durchsetzen konnte.

Sprecher der Opposition erkannten bei einer Pressekonferenz den Erfolg des »Ja« an. Allerdings sprachen sie erneut davon, man müsse in Venezuela »die Demokratie wiederherstellen«. Es sei hoffnungsvoll, daß es den Regierungsgegnern endlich gelungen sei, die Hürde von fünf Millionen Stimmen zu überwinden, was ihnen seit dem Amtsantritt des Präsidenten vor zehn Jahren nicht mehr gelungen war. Chávez verharre bei sechs Millionen Stimmen. Die Präsidentschaftswahl 2006 habe er mit 64 Prozent der Stimmen gewonnen, nun sei er auf 54 Prozent »abgerutscht«, freuten die Vertreter des Rechtsparteien »Primero Justicia«, »Podemos« und »Un Nuevo Tiempo«. Auf den ansonsten während der Kampagne immer wieder herangezogenen Vergleich mit der Abstimmung über die Verfassungsreform vom Dezember 2007 verzichteten sie diesmal jedoch. Im Vergleich zur damaligen knappen Niederlage konnte das Regierungslager Zugewinne von fast 50 Prozent verbuchen: Von knapp 4,4 Millionen Stimmen kletterte das »Ja« nun auf über 6,3 Millionen.

Der erste Gratulant, der Chávez und das venezolanische Volk zum Sieg beglückwünschte, war der langjährige kubanische Präsident Fidel Castro. Nur »zehn Sekunden« nach der offiziellen Bekanntgabe der Ergebnisse habe er die Zeilen seines Freundes aus Havanna erhalten, berichtete Chávez der feiernden Menge. Die Bedeutung dieses Sieges sei noch gar nicht absehbar, las Chávez die Worte Fidels vor und bat dann die jubelnden Menschen um einen Applaus für den Comandante.

Auch in den venezolanischen Vertretungen in Europa wurde abgestimmt. Nur im Generalkonsulat Venezuelas in Madrid mußte das Referendum für mehrere Stunden unterbrochen werden, nachdem Anhänger rechter Gruppierungen gewaltsam versucht hatten, in das Wahllokal einzudringen. Sie protestierten gegen die Ausweisung des spanischen EU-Abgeordneten Luis Herrero von der postfrankistischen Volkspartei (PP) aus Venezuela. Dieser hatte als Wahlbeobachter schon vor Beginn der Abstimmung behauptet, daß das Referendum nicht »westlichen demokratischen Standards« entspräche.

Erschienen am 17. Februar 2009 in der Tageszeitung junge Welt